Die BIGE im Interview: Rechts- und Linksextremismus

Verschieden in Ideologie, Erscheinung und Agitation, aber geeint in der Ablehnung von Grundgesetz, Demokratie und Rechtsstaat: Rechts- wie Linksextremisten bedrohen die freiheitliche Gesellschaft. Präventionsarbeit dagegen betreibt im Freistaat die Bayerische Informationsstelle gegen Extremismus (BIGE). Die Leiterin der BIGE spricht im Interview über ihre Arbeit.

 

Wir sprechen heute wieder mit Daniela Marckmann, der Leiterin der BIGE. Frau Marckmann, das letzte Mal haben wir uns über die Unterstützungsangebote der BIGE für Kommunen unterhalten, die mit Aktivitäten von Extremisten konfrontiert sind (siehe hier). Heute möchten wir speziell über Rechts- und Linksextremismus sprechen. Zunächst: Was bedeutet das überhaupt Extremismus?

Um es kurz und knapp auf einen Nenner zu bringen: Extremisten legen es darauf an, unsere freiheitliche demokratische Grundordnung zumindest in Teilen zu beseitigen.

 

Stichwort freiheitliche demokratische Grundordnung: Was muss man sich unter diesem Begriff vorstellen?

Der Begriff klingt zunächst einmal sperrig, meint aber einfach die obersten Grundwerte unseres Staates, die im Grundgesetz, unserer Verfassung, festgeschrieben sind. Zusammenfassen lassen sie sich als Dreiklang von Menschenwürde, Rechtsstaatsprinzip und Demokratieprinzip. So definiert das Bundesverfassungsgericht die freiheitliche demokratische Grundordnung.

 

Einige Kritiker des Extremismus-Begriffes sagen, es würde sich um einen „politischen Kampfbegriff“ handeln. Die Regierung würde so legitime politische Bewegungen im linken wie rechten Spektrum, die ihr einfach nicht ins Konzept passen, als gefährlich brandmarken, um sie im öffentlichen Diskurs ins Abseits zu drängen. Was antworten Sie darauf?

Tatsächlich wird der Extremismus als Begriff teilweise abgelehnt. Interessant ist dabei, dass diese Ablehnung oft von denjenigen stammt, die selber hiermit gemeint sind. Der Begriff wurde und wird auch leider immer wieder einmal politisch instrumentalisiert. Das heißt aber doch nicht, dass man auf dieses seit vielen Jahren bewährte Konzept verzichten sollte.

Wichtig ist dabei allerdings, dass der Staat den Begriff des Extremismus nicht beliebig verwendet. Um glaubwürdig zu sein, vor allem aber, um selbst rechtsstaatliches Handeln seiner Behörden zu gewährleisten, muss er eine saubere und für alle Fälle gleichermaßen gültige Definition dieses Begriffes schaffen. Und genau diese Definition gibt es in gesetzlicher Form: Extremismus liegt dann vor, wenn Menschen aus politischer Motivation heraus versuchen, die freiheitliche demokratische Grundordnung ganz oder teilweise zu beseitigen.

Dabei darf der Verfassungsschutz aber nicht zum „Gesinnungskontrolleur“ werden. Er befasst sich deshalb nicht mit bloßen politischen Einstellungen oder Meinungen. Erst dann, wenn solche Meinungen sich in aktiven Handlungen äußern, dürfen die Verfassungsschutzbehörden tätig werden.

 

Jetzt, wo wir die Grundbegriffe mal ein wenig näher erläutert haben, einmal etwas genauer: Was sind denn nun Rechts- und Linksextremisten?

Rechtsextremisten, d. h. Extremisten aus dem rechten politischen Spektrum, wenden sich u. a. gegen die Menschenwürde. Für sie sind nicht alle Menschen gleich wertvoll und sollen auch nicht die gleichen Rechte haben. Rechtsextremisten wollen bestimmte Gruppen wie z. B. Deutsche mit Migrationshintergrund gezielt benachteiligen. Auch Juden sind seit Langem ein besonderes Feindbild von Rechtsextremisten. Sie werden als Wurzel allen Übels betrachtet und müssten unter einer rechtsextremistischen Herrschaft mit der Aberkennung vieler Grundrechte rechnen.

Linksextremisten, d. h. Extremisten aus dem linken politischen Spektrum, wenden sich u. a. gegen das Rechtsstaatsprinzip. Linksextremisten kommunistischer Prägung z. B. möchten ohne Rücksicht auf das Individuum völlige soziale und materielle Gleichheit erzwingen. Dafür sind sie bereit, Gegnern politische Rechte zu nehmen. Linksextremisten aus dem anarchistischen Spektrum möchten staatliche Strukturen ganz abschaffen. Dann gäbe es für die Allgemeinheit keine garantierten Schutzmechanismen mehr und es würde ein unfaires Recht des Stärkeren herrschen.

 

Und wie kommt der Verfassungsschutz zu der Bewertung, ob jemand Rechts- oder Linksextremist ist?

Der erste Ansatz sind öffentliche und für jedermann zugängliche Quellen. Zum Beispiel werden Webseiten oder Online-Videos ausgewertet, genauso wie verteilte Flyer oder auf Kundgebungen gehaltene Reden. Eine große Rolle spielen auch Berichte in den Medien. In diesem Material wird nach tatsächlichen Anhaltspunkten für extremistische Verhaltensweisen gesucht. Das ist keine einfache Aufgabe. Denn meistens werden keine abgeschlossenen extremistischen Weltbilder präsentiert. Man findet vielmehr eine diffuse Mischung aus Ideologie-Fragmenten und Szene-Slogans. Diese müssen eingeordnet und beurteilt werden. Alle vorliegenden Informationen werden wie bei einem Puzzle zusammengeführt und in einer Gesamtschau wird dann eine Bewertung getroffen, ob z. B. eine Person oder eine Organisation als rechts- oder linksextremistisch anzusehen ist.

Wenn diese Bewertung ergibt, dass z. B. eine Gruppierung als extremistisch anzusehen ist, sammeln die Verfassungsschutzbehörden fortlaufend und gezielt Informationen zu dieser Gruppierung.

Diese Bewertung ist natürlich nicht in Stein gemeißelt. Sie kann sich über die Jahre ändern und selbstverständlich kann jeder Betroffene bzw. jede betroffene Organisation diese Bewertung gerichtlich überprüfen lassen.

 

Wenn man in einem Atemzug über Rechts- und Linksextremismus spricht, wird von einigen Kritikern auch bemängelt, die Sicherheitsbehörden würden diese gleichsetzen. Das sei den Phänomenen aber nicht angemessen. Was sagen Sie dazu?

Rechts- und Linksextremismus stehen auf verschiedenen ideologischen Grundlagen. Organisation, Agitation, Extremismusintensität und Gefahrenpotenzial können ganz unterschiedlich ausgeprägt sein. Die Sicherheitsbehörden analysieren dies differenziert und jeweils eigenständig für die verschiedenen extremistischen Bereiche.

Das Extremismus-Verständnis der Sicherheitsbehörden hebt eine Frontstellung gegen Menschenwürde, Demokratieprinzip und Rechtsstaatsprinzip hervor. Die Gemeinsamkeit aller Extremisten, unabhängig von ihrer politischen Couleur, ist ihr Agieren gegen diese zentralen Verfassungsprinzipien. Kritiker dieser Perspektive müssten erklären, warum ihnen diese Betrachtungsweise nicht wichtig ist.

Verfassungsschutz und BIGE wiegen extremistische Bestrebungen nicht gegeneinander auf. Genauso wenig kann eine Einstufung vorgenommen werden im Sinne eines mehr oder eines weniger problematischen Extremismus. Sobald die Schwelle zum Extremismus überschritten ist, liegt eine Gefahr für unsere freiheitliche demokratische Grundordnung vor. Gegen diese müssen Staat und Gesellschaft im Sinne der wehrhaften Demokratie zum Schutz unserer fundamentalen Werte vorgehen.

 

Nachdem wir uns nun über die Begriffe Rechts- und Linksextremismus unterhalten haben – wie sieht die entsprechende Präventionsarbeit der BIGE in der Praxis aus?

Ohne eine sachgerechte Information kann keine politische oder gesellschaftliche Auseinandersetzung mit extremistischen Positionen und Aktivitäten stattfinden. Wir betreiben deshalb die Webseite www.bige.bayern.de als Online-Informationsportal. Darüber hinaus bieten wir Informationsveranstaltungen in Form von Vorträgen, Workshops und Online-Seminaren an – für Schulen, Behörden, Unternehmen, Vereine und private Initiativen.

Neben Information ist Beratung unser zweiter Aufgabenschwerpunkt. Bei konkreten Problemen unterstützen wir aktiv, vertraulich und vor Ort im oft schwierigen Umgang mit Extremismus. Wir helfen mit unserer langjährigen Erfahrung und unserem breiten Netzwerk gerne weiter, wenn z. B. in einer Kommune gehäuft rechtsextremistische Veranstaltungen oder linksextremistische Sachbeschädigungen auffallen. Außerdem betreiben wir ein Aussteigerprogramm. Dies bietet Unterstützung für Menschen, die eine extremistische Szene verlassen wollen, das aber aus eigener Kraft nicht schaffen.

Alle unsere Angebote stehen bayernweit zur Verfügung und sind stets kostenfrei.

 

Frau Marckmann, vielen Dank für das Gespräch.

nach oben