Antisemitismus

Die offizielle Antisemitismus-Definition von Bundesregierung und Bayerischer Staatsregierung lautet:

„Antisemitismus ist eine bestimmte Wahrnehmung von Juden, die sich als Hass gegenüber Juden ausdrücken kann. Der Antisemitismus richtet sich in Wort oder Tat gegen jüdische und nicht-jüdische Einzelpersonen und/oder deren Eigentum, sowie gegen jüdische Gemeindeinstitutionen und religiöse Einrichtungen.“

Antisemitismus ist Feindschaft gegen Juden, weil sie Juden sind. Sie werden als eine kollektive Gruppe betrachtet und ihnen werden explizit aufgrund ihrer jüdischen Herkunft negative Eigenschaften zugeschrieben. Daraus entstehen judenfeindliche Ressentiments, die sich in verbalen Anfeindungen bis hin zu physischen Angriffen manifestieren können. Antisemitismus kann auch Nichtjuden, Unternehmen und Institutionen zum Ziel haben, denen eine „Komplizenschaft“ mit Juden oder dem Staat Israel unterstellt wird.

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Die Szene der Reichsbürger und Selbstverwalter ist durch ihre staatsfeindlichen Einstellungen und Verschwörungstheorien geprägt. Letztere bedingen eine Anschlussfähigkeit an antisemitische Erklärungsmuster. Bei Reichsbürgern und Selbstverwaltern finden sich daher teils antisemitische Einstellungen und Äußerungen.

Die Bandbreite reicht von Schuldzuweisungen Einzelner, die „die Juden“ für ihre Arbeitslosigkeit verantwortlich machen, über offen antisemitische Verschwörungstheorien, wonach beispielsweise der Erste Weltkrieg von „den Juden“ geplant worden sei, bis hin zur Leugnung des Holocaust. Antisemitismus bildet aber oftmals kein tragendes Ideologieelement und keinen Agitationsschwerpunkt der Szene.

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Die Reichsbürger und Selbstverwalter-Gruppierung Geeinte deutsche Völker und Stämme (GdVuSt)‚ die am 19. März 2020 vom Bundesminister des Innern, für Bau und Heimat verboten wurde, äußerte sich in ihren Verlautbarungen nicht nur offen antisemitisch‚ sondern forderte ausdrücklich eine tiefgreifende Diskriminierung und Entrechtung von Juden.

Die Vorstellung einer jüdischen Verschwörung zur Erlangung der Weltherrschaft ist in einer Reihe verschiedener Veröffentlichungen der Gruppierung präsent. So bezeichneten die GdVuSt Juden als „dunkle Rasse, die der hellen den Kampf angesagt hat“ oder „Andersweltler“, die „in ihren Grundfesten und Glaubenssätzen daran gebunden sind ohne die Achtung der Schöpfung die Weltherrschaft zu erringen und dazu kreative Geschichten erfinden, um den Menschen wiederholt glaubhaft zu machen versuchten, dass sie ein verfolgtes Volk sind“. Als Sühne für ihre angebliche „Unbelehrbarkeit“ sollte es Juden nach Vorstellung der GdVuSt untersagt werden, Eigentum an Grund und Boden zu erwerben und ihren Glauben auszuüben; teils wurde ihnen gar das Wahlrecht abgesprochen.

In einem Schreiben einer maßgeblichen Funktionärin der Gruppierung an den Weltpostverein aus dem Jahr 2017 wurden den „Rassen aus Jakobs Söhnen“ Weltherrschaftspläne, Lügen und Kriegsschuld unterstellt. Zur Buße sollten ihnen das Versammlungsrecht und das Eigentum an Grund und Boden entzogen werden.

In einem Schreiben der GdVuSt vom 25. Juli 2018 an die Ministerin für Justiz und Gleichstellung in Sachsen-Anhalt wurde Juden ein „Ringen nach der Weltherrschaft“ unterstellt.

Auch die Reichsbürger und Selbstverwalter-Gruppierung Verfassunggebende Versammlung (VV) äußert sich regelmäßig antisemitisch. Entsprechende Internetveröffentlichungen erscheinen in der Regel nicht auf der Hauptseite der Gruppierung, sondern in dem von ihr genutzten „ddb Netzwerk“. Hier rief die VV zum Boykott der Europawahl auf und verbreitete explizit antisemitisches Gedankengut. Unter dem 2019 erschienenen Beitrag „Das ist die ELITE, das ist die NWO!“ behauptete sie eine angebliche jüdische Weltherrschaft.

Weiterhin verbreitet die Gruppierung über ihr „ddb Netzwerk“ antisemitische Beiträge anderer Nutzer. So teilte die VV beispielsweise eine Verschwörungstheorie, in der die Behauptung aufgestellt wird, dass während des Zweiten Weltkriegs „amerikanische Pläne zur Vernichtung des deutschen Volkes“ entwickelt worden seien. Hinter der „Umsetzung [dieser] finsteren Pläne“ habe mitunter die jüdische Loge B’nai B’rith gestanden. Verknüpft wird diese Verschwörungstheorie mit einer angeblichen Überfremdung Europas.

In den Sozialen Medien sind zuweilen Postings von Szeneangehörigen feststellbar, die antisemitische Grafiken verbreiten.

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Hauptthemenfeld der ansonsten sehr heterogenen Szene der Reichsbürger und Selbstverwalter ist die Leugnung der Legitimität und Souveränität der Bundesrepublik Deutschland sowie die Ablehnung des Grundgesetzes und der bestehenden Rechtsordnung. Im Zusammenhang mit Verschwörungstheorien – vor allem wenn es um angebliche Hintergründe der sogenannten etablierten Politik geht – werden teils antisemitische Einstellungen sichtbar. Dabei spielen sowohl der soziale als auch der politische Antisemitismus eine Rolle. Besonders virulent ist der Antisemitismus, u.a. in Form von Holocaust-Leugnung und primärer Judenfeindlichkeit, in den Schnittmengen zwischen Reichsbürgern und Rechtsextremisten.

 

Dieser Text beruht auf der Broschüre „Lagebild Antisemitismus“ (Juli 2020) des Bundesamtes für Verfassungsschutz, S. 52–57.

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