Situation in Niederbayern
Inhaltsverzeichnis
- RECHTSEXTREMISMUS
- Sicherheitsbericht des Polizeipräsidiums Niederbayern zur Politisch motivierten Kriminalität (PMK)
- Besondere Ereignisse und Aktivitäten
- Extremistische Agitation im Internet
- Extremistische Agitation durch Musikveranstaltungen
- Parteien und andere rechtsextremistische Strukturen in Niederbayern
- Der Dritte Weg (III. Weg)
- Die Heimat (vormals Nationaldemokratische Partei Deutschlands, NPD)
- Junge Alternative für Deutschland Bayern (JA Bayern)
- Identitäre Bewegung (IB)
- REICHSBÜRGER UND SELBSTVERWALTER
- VERFASSUNGSSCHUTZRELEVANTE DELEGITIMIERUNG DES STAATES
- VERFASSUNGSSCHUTZRELEVANTE ISLAMFEINDLICHKEIT
- LINKSEXTREMISMUS
RECHTSEXTREMISMUS
Sicherheitsbericht des Polizeipräsidiums Niederbayern zur Politisch motivierten Kriminalität (PMK)
(Anmerkung zu „Politisch motivierte Kriminalität“ (PMK): Als PMK werden alle Straftaten bezeichnet und erfasst, die einen oder mehrere Straftatbestände der sogenannten klassischen Staatsschutzdelikte erfüllen, selbst wenn im Einzelfall eine politische Motivation nicht festgestellt werden kann. Bei Straftaten, die auch in der Allgemeinkriminalität begangen werden können, erfolgt eine Würdigung der Gesamtumstände (siehe Bericht des Bundesamts für Verfassungsschutz 2023, Seite 26).
Im Bereich des Polizeipräsidiums Niederbayern können für den Bereich der Politisch motivierten Kriminalität im Jahr 2023 797 Fälle (Vorjahr: 586) registriert werden. Im Vergleich zum Vorjahr ist hier ein Anstieg um 211 Fälle zu verzeichnen. Bei Straftaten, die der Politisch motivierten Kriminalität -rechts- zugeordnet werden können, sind für den Berichtszeitraum 300 Fälle (Vorjahr: 218) festzustellen. Der Hauptanteil des Fallaufkommens mit 268 Fällen liegt bei den Tatbeständen der § 86a StGB (Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen) und § 130 StGB (Volksverhetzung). Lediglich 8 Fälle sind der Gewaltkriminalität zuzurechnen.
Fast jede fünfte in Niederbayern registrierte politisch motivierte Tathandlung (158 Fälle) gehört thematisch zur sogenannten Hasskriminalität. Ein Großteil dieser Straftaten ist im Phänomenbereich PMK -rechts- zu verorten.
Fast die Hälfte aller erfassten Staatsschutzdelikte konnte keiner bestimmten Ideologie zugeordnet werden. Hier ist mit 412 Fällen (Vorjahr: 303) ein Anstieg zu verzeichnen, ein Fünftel der Fallzahlen generiert sich aus der konsequenten Einleitung von Ermittlungsverfahren gegen Reichsbürger bei strafrechtlich relevanten Erkenntnissen wie Nötigung und Erpressung.
An weiteren Informationen interessiert? Der Gesamtbericht des Polizeipräsidiums Niederbayern 2023 kann hier nachgelesen werden.
Besondere Ereignisse und Aktivitäten
Prävention an Schulen
Die Bayerische Informationsstelle gegen Extremismus (BIGE) führte im 1. Halbjahr 2024 (Stand: 28.06.2024) 23 Workshops an Schulen im Regierungsbezirk Niederbayern durch. Diese Veranstaltungen finden sowohl anlassbezogen als auch anlassunabhängig statt.
Anlassbezogene Vorträge und Beratungen an Schulen erfolgen sowohl auf Anfragen von Seiten der Schulen als auch eigeninitiativ durch die BIGE, wenn diese Kenntnisse über Vorfälle mit Bezug zum Rechtsextremismus erhält. Beispielhaft zeigt sich dies durch:
- Zeigen des „Hitler Grußes“ oder Skandieren von „Heil Hitler“,
- Öffentliches Zeigen verbotener rechtsextremistischer Symbole wie z.B. das Hakenkreuz,
- Rechtsextremistische Schmierereien an Schulgebäuden oder am Mobiliar im Klassenzimmer,
- rassistische, herabwürdigende oder beleidigende Äußerungen gegenüber anderen Schülerinnen und Schülern oder auch Lehrkräften
Auch im digitalen Bereich finden derartige Aktionen z.B. in Form von Postings in Klassenchats (Darstellung Adolf Hitlers, verbotener Symbole wie z.B. des Hakenkreuzes oder antisemitische Darstellungen) oder auf Social Media statt. Auch gewaltverherrlichende Posts sind zu verzeichnen.
Die BIGE steht hierbei auch in engem Kontakt sowohl mit den jeweiligen Jugendbeamten der Polizei und den Kriminalpolizeiinspektionen als auch den jeweiligen Regionalbeauftragten für Demokratie und Toleranz.
III. Weg verteilt Flugblätter in Freyung
Die neonazistische Kleinstpartei Der III. Weg (III. Weg) berichtete auf seiner Webseite über eine am 1. März 2023 erfolgte Verteilaktion. Hiermit versucht der III. Weg über seine politischen Standpunkte, der Forderung nach einem deutschen Sozialismus, die Bevölkerung aufzuklären. Demnach „sauge das System der globalen kapitalistischen Eliten unser Volk bis zu letzten Tropfen aus“. Weiter wird hierzu auf der Parteiwebseite angekündigt, auch in Zukunft verstärkt in der Region unterwegs zu sein.
Polizeiliche Durchsuchungsmaßnahmen in der Reichsbürger-/Querdenkerszene in Freyung-Grafenau
Am 2. März 2023 erfolgten an mehreren Objekten im Landkreis Freyung-Grafenau polizeiliche Durchsuchungen bei Personen aus dem Umfeld der Reichsbürgerszene. Die Kriminalpolizeiinspektion Passau führt in Zusammenarbeit mit der Staatsanwaltschaft Passau Ermittlungen wegen des Verdachts der Bildung bewaffneter Gruppen, Betrug, Urkundenfälschungen und unerlaubtem Umgang mit verbotenen Waffen gegen vier Personen aus dem Landkreis Freyung-Grafenau. Bei einem der Tatverdächtigen handelt es sich um einen polizeilich eingestuften Reichsbürger.
Im Rahmen der Durchsuchungen konnten neben Beweismitteln auch mehrere erlaubnisfreie Waffen und gefährliche Gegenstände aufgefunden und sichergestellt werden. Darunter befanden sich Armbrüste und Luftgewehre. Außerdem fanden die Ermittler gefälschte Corona-Testzertifikate und einen gefälschten Impfnachweis.
„Heldengedenken“ des III. Weg in Freyung
Am 12. März 2023 führte der Stützpunkt Ostbayern der neonazistischen Kleinstpartei Der Dritte Weg (III. Weg) ein „traditionelles Heldengedenken“ durch. Dabei versammelten sich am Abend III. Weg-Angehörige in Deggendorf, um dort am von ihnen so genannten „Heldenhain“ der deutschen Opfer der beiden Weltkriege unter dem Motto „Tot sind nur jene, die vergessen werden“ zu gedenken.
Der Gefallenenhain (bis 2013: Heldenhain) wurde 1929 als Gedenkstätte für alle gefallenen Soldaten aus Deggendorf angelegt. Nach den beiden Weltkriegen ist unter anderem für jeden gefallenen Deggendorfer ein Baum gepflanzt worden. Seit 1985 veranstaltet die Stadt dort jedes Jahr eine Gedenkfeier. Im November 2013 wurde die Gedenkstätte umbenannt, da dort auch Gedenktafeln für einige ehemalige Angehörige der SS angebracht waren und Rechtsextremisten die Gedenkstätte wiederholt für Szeneaufmärsche genutzt hatten. Zudem wurde die Gedenkstätte mit einer zusätzlichen Informationstafel ausgestattet, die auf die geschichtliche Bedeutung des Ortes hinweist und zum Frieden mahnt.
Etwa zeitgleich führte der III. Weg weitere Gedenkaktionen in Bayern durch. So stellten Parteiangehörige in Freyung an einem örtlichen Kriegerdenkmal Kerzen auf. An einem Kriegerdenkmal im Münchner Stadtteil Perlach wurden Fackeln entzündet und eine kurze Rede gehalten.
III. Weg führte in Deggendorf zum Thema Migration einen Infostand mit Kundgebung durch
Unter dem Schlagwort „Deutsches Volk erwache!“ führte der III. Weg am 22. April in Deggendorf einen Infostand mit Kundgebung durch. Die Veranstaltung wurde von der Bevölkerung nur in geringem Maße angenommen. Die Polizei geht inklusive der Parteiaktivisten von bis zu 8 Teilnehmern aus.
Seit Jahresbeginn agitiert der III. Weg in Bayern im Rahmen einer Parteikampagne gegen die Unterbringung und Aufnahme von geflüchteten Menschen. Zunächst konzentrierten sich die Aktivitäten der Kampagne auf regelmäßige Veranstaltungen im ländlichen Raum Oberfrankens. Daneben gab es im oberbayerischen Peutenhausen in den vergangenen Monaten mehrere Aktionen und Agitationen des III. Weg und der der Identitären Bewegung zuzuordnenden „Wackren Schwaben“, die sich dort gegen die kommunale Unterbringung von geflüchteten Menschen richteten. Auslöser der Aktionen waren mehrere Vorfälle mit Flüchtlingen in dem Ort.
Der Infostand am 22. April in Deggendorf schloss sich dahingehend nahtlos an eine Veranstaltung der Partei in Peutenhausen eine Woche zuvor an und diente laut eigener Aussage als Gelegenheit, Bürgern die Positionen des III. Weg näher zu bringen. So war auch an diesem Tag die in den Augen des III. Weg verfehlte Asylpolitik Deutschlands das maßgebende Thema.
Rechtsextremisten gedenken dem 100. Todestag von Albert Leo Schlageter in der Nähe von Passau
Am 26. Mai veranstaltete die neonazistische Kleinstpartei Der Dritte Weg (III. Weg) ein Aktionswochenende zum Gedenken an den 100. Todestag von Albert Leo Schlageter, den die Partei als „Märtyrer für Deutschland“ bezeichnet. In Bayern erinnerte der III. Weg-Stützpunkt Ostbayern in der Nähe von Passau an „eine[n] der ersten Blutzeugen der Bewegung“ und stellte nach eigenen Angaben eine selbst gefertigte Gedenktafel auf. Weiteren parteieigenen Informationen zufolge gedachten Parteiangehörige in Bayern auch in der Fränkischen Schweiz und in Oberfranken dem Todestag Schlageters. Aus einer Information zum Gedenken des III. Weg-Stützpunkts Oberfranken geht hervor, dass Schlageter für den III. Weg „bis
heute ein Sinnbild für Mut, Treue, Tapferkeit und die Liebe zum Vaterland“ darstellt.
Die NPD-Bundespartei thematisierte am 26. Mai den Todestag Schlageters in zwei Facebook-Beiträgen, in denen er als „Freiheitskämpfer – damals wie heute“ bzw. „deutsche[r] Widerstands- und Freiheitskämpfer“ bezeichnet wird. Der NPD-Kreisverband Nürnberg veröffentlichte ein Gedicht zu Ehren Schlageters auf Telegram. In der NPD-Parteizeitung „Deutsche Stimme“ erschien am 26. Mai ein Artikel zum Lebenslauf Schlageters und zu militäri-schen Aktionen unter seiner Beteiligung.
Schlageter war Soldat im Ersten Weltkrieg und in der Zeit der Weimarer Republik Angehöriger verschiedener Freikorps sowie Mitglied der NSDAP-Tarnorganisation „Großdeutsche Arbeiterpartei“. Während der französisch-belgischen Ruhrbesetzung Anfang der 1920er Jahre war er dort militanter Aktivist und wurde nach seiner Festnahme im April 1923 wegen Spionage und mehrerer Sprengstoffanschläge von einem französischen Militärgericht zum Tode verurteilt. Seine Hinrichtung erfolgte am 26. Mai 1923. Dies führte seinerzeit in der deutschen Bevölkerung zu heftigen Protesten und nationalistische Kreise verklärten Schlageter als Helden und Märtyrer. Die Nationalsozialisten griffen dies auf, sprachen in ihrer Propaganda vom „ersten Soldaten des Dritten Reiches“ und begründeten einen Heldenkult um Schlageter. In der heutigen Zeit findet ein Gedenken an Schlageter ausschließlich in der rechtsextremistischen Szene statt, womit dessen Heldenmythos aufgegriffen und in der Gegenwart aufrechterhalten wird.
Aktionen der rechtsextremistischen Szene zum Volkstrauertag am 18. November
Das alljährlich von der neonazistischen Kleinstpartei „Der Dritte Weg“ (III. Weg) organisierte Heldengedenken in Wunsiedel fand in diesem Jahr nicht statt. Stattdessen führten Aktivisten der Partei am 18. November 2023 bundesweit regionale Aktionen zum „Heldengedenken“ durch. Im Rahmen dieser Aktionen wurden ideologisch aufgeladene Ansprachen zum Gedenken an die deutschen Opfer der Weltkriege gehalten, Gedenkzeremonien mit Fackeln durchgeführt sowie Kerzen und Grablichter gezündet.
Unter dem Motto „Tot sind nur jene, die vergessen werden“ führte der III. Weg am 18. November 2023 auch an mehreren Orten in Bayern Gedenkveranstaltungen durch. In Ostbayern versammelten sich Aktivisten unter anderem an Kriegerdenkmälern in Furth im Wald und in Hofkirchen und hinterließen Kerzen und Blumenkränze. Ferner wurden am 18. November 2023, wie schon in den vorherigen Jahren geschehen, Devotionalien an einigen Kriegerdenkmälern im Regierungsbezirk Schwaben abgelegt.
Aktivisten und Sympathisanten der Jungen Alternative Bayern versuchten am Volkstrauertag und im Nachgang zur offiziellen staatlichen Gedenkveranstaltung, am Kriegerdenkmal im Hofgarten in München einen Kranz niederzulegen.
Die Aktionen zeigen, dass das Gedenken an die deutschen Opfer der Weltkriege, verbrämt als sogenanntes „Heldengedenken“, für Rechtsextremisten unterschiedlichster Ausrichtung weiterhin von Bedeutung ist, auch wenn große öffentlichkeitswirksame Veranstaltungen dieses Jahr nicht festzustellen waren.
Grenzgänger-Kampagne der Partei der Dritte Weg (III. Weg)
Nachdem die rechtsextremistische Kleinstpartei Der Dritte Weg (III. Weg) zum Jahresbeginn 2023 mit der Anti-Asyl-Kampagne in mehreren bayerischen Städten und Gemeinden aktiv war, schien die bereits in anderen Bundesländern beworbene und durchgeführte „Grenzgänger-Kampagne“ in Bayern angekommen zu sein. Unter dem Motto „Schütze deine Heimat, werde Grenzgänger – Kein zweites 2015“ führten III. Weg-Aktivisten im Bundesgebiet bereits Flugblattverteilungen und sogenannte „Streifen“ an den deutschen Außengrenzen durch. Diese Grenzgänge, welche von der Partei bereits im Jahr 2021 im ostdeutschen Raum organisiert wurden, verfolgten nach eigenen Angaben das Ziel, ein „zweites 2015“ zu verhindern.
In Bayern konnten einzelne Aktivitäten beobachtet werden. Parteiangaben zufolge führten Aktivisten aus Ostbayern am 18. November eine „Streife an der Grenze zum Sudentenland“ durch. Ferner wurden in Fürstenfeldbruck erste Flugblattverteilungsaktionen der neuen Kampagne durchgeführt.
Im Rahmen von rassistisch motivierten Streifen-Aktionen und Sicherheitsinitiativen schüren Rechtsextremisten Ängste vor Migranten und suggerieren, dass der Staat und seine Sicherheitsorgane nicht mehr in der Lage seien, die Sicherheit der Bürger zu gewährleisten. Sie inszenieren sich dabei als Mahner, Kümmerer und vor allem als vermeintliche Garanten von Schutz und Ordnung im öffentlichen Raum – wobei sich die angebliche Sorge der Extremisten allerdings allein auf die deutschen „Volksgenossen“ beschränkt. Auch nutzt der III. Weg solche Aktionen immer wieder, um in „Mainstream-Medien“ Aufmerksamkeit zu generieren und sich einer breiteren Öffentlichkeit bekannt zu machen.
Extremistische Agitation im Internet
Auch jenseits von organisierten Strukturen verbreiten Einzelpersonen – auch aus Niederbayern – verfassungsfeindliche Propaganda im Internet. Dabei werden auf den unterschiedlichsten Plattformen – beispielsweise durch Memes, Hashtags und Kommentare – extremistische Botschaften geteilt und zum Hass aufgestachelt. Die Entwicklungen im digitalen Raum werden von den Sicherheitsbehörden laufend beobachtet. In enger Abstimmung zwischen Justiz, Polizei und Verfassungsschutz werden Hassbotschaften bzw. strafrechtlich relevante Inhalte konsequent verfolgt.
Rechtsextremistische Organisationen und Einzelpersonen setzen für ihre Propaganda digitale Medien und Formate als festen Bestandteil ihrer Kommunikationsstrategien ein. Das Internet ermöglicht ihnen den erleichterten Zugang zu einem heterogenen Empfängerkreis, der über die engere extremistische Anhängerszene hinausreicht.
Allerdings gehen insbesondere die im Internet aktiven Personen weit über das bekannte partei- und organisationsgebundene rechtsextremistische Spektrum hinaus. Das Personenpotenzial ist daher zahlenmäßigen Schwankungen unterworfen.
Rechtsextremistische Akteure nutzen das Internet, um manipulative und extremistische Inhalte zu verbreiten. Sie wollen ein Klima von Misstrauen und Hass z. B. gegenüber Geflüchteten und Andersdenkenden, aber auch gegenüber etablierten Medien, staatlichen Einrichtungen und dem demokratischen Prozess schaffen. Soziale Medien bieten diesen Einzelpersonen niedrigschwellige Möglichkeiten, in virtuellen Räumen verfassungsfeindliche Propaganda zu betreiben, sich zu vernetzen und Aktionen zu planen, die im äußersten Fall zur Begehung von schweren Straftaten in der Realwelt, wie Angriffen gegen Repräsentanten des Staates und der Politik, führen können. Daher spielt das Internet auch bei Radikalisierungsprozessen, die von einer realweltlichen rechtsextremistischen Szene losgelöst sind, eine zentrale Rolle. Hierbei ist beispielsweise in der Gaming-Szene und der sog. Attentäter-Fanszene ein gewisses Radikalisierungspotenzial erkennbar. In der Gaming-Szene werden z. B. mittels eigens entwickelter Szene-Spiele rechtsextremistische Botschaften verbreitet. Bei der Attentäter-Fanszene handelt es sich um eine digitale Subkultur, die Amoktäter sowie ideologisch unterschiedlich motivierte Attentäter verehrt. Eine Anbindung an realweltliche rechtsextremistische Strukturen existiert in der Regel nicht.
An weiteren Infos interessiert? Mehr zu diesem Thema kann hier nachgelesen werden.
Extremistische Agitation durch Musikveranstaltungen
Rechtsextremistische Musik ist ein wesentliches Eintrittstor in die rechtsextremistische Szene.
So nutzen Szeneangehörige Musik, um Jugendliche mit rechtsextremistischem Gedankengut in Kontakt zu bringen. Oft wird weiterhin verkürzt von „Rechtsrock“ gesprochen, obwohl das Angebot an rechtsextremistischer Musik längst zahlreiche unterschiedliche Stile und Zielrichtungen umfasst, die von Skinheadmusik und Balladen über Vikingrock, Black Metal, Hatecore und Neofolk bis hin zu Rap und Techno reichen. Die Texte enthalten nationalistisches, fremdenfeindliches, antisemitisches und antidemokratisches Gedankengut.
Rechtsextremistische Musikveranstaltungen (Konzerte und Liederabende) im In- und Ausland ermöglichen es Szeneangehörigen zudem, neue Kontakte aufzubauen, sich szeneintern zu vernetzen oder Einkünfte zu generieren.
Im Bundesgebiet fanden seit 2019 keine Musikgroßveranstaltungen mehr statt. Als allgemeiner Trend lassen sich kleinere Veranstaltungen und Musikveranstaltungen im europäischen Ausland feststellen. Auch in Bayern überwiegt die Zahl der Musikveranstaltungen, die in kleinem Kreis und privaten Rahmen oft konspirativ durchgeführt werden.
Im März 2023 organisierte die Partei Der Dritte Weg (III. Weg) eine interne Veranstaltung, bei der Live-Musik gespielt wurde. Eine weitere Musikveranstaltung soll im Juli in Südbayern stattgefunden haben.
Das strikte Vorgehen der bayerischen Sicherheitsbehörden führte bereits wiederholt dazu, dass Musikveranstaltungen in Bayern nicht stattfanden.
In Niederbayern wurden im Jahr 2023 keine Musikveranstaltungen bekannt.
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Parteien und andere rechtsextremistische Strukturen in Niederbayern
Der Verfassungsschutz unterscheidet rechtsextremistische Gruppierungen, Parteien und Einzelpersonen in drei Kategorien:
- Parteien
- Parteiunabhängige bzw. parteiungebundene Strukturen
In diese Kategorie fallen alle Gruppen und Organisationen, welche einen gewissen Bindungs- und Organisationsgrad erkennen lassen. Hierzu zählen organisierte neonazistische Gruppierungen, rechtsextremistische Bands, kommunale Wählervereinigungen, Verlage und Vertriebsnetze, Bürgerinitiativen Vereine, kameradschaftliche Stammtischrunden und Gesprächszirkel. Vor allem finden sich hier organisierte Neonazis und die Identitäre Bewegung (IB).
- Weitgehend unstrukturiertes rechtsextremistisches Personenpotenzial
Zu dieser Kategorie zählen organisationsungebundene subkulturell geprägte Rechtsextremisten (Skinheads), rechtsextremistische Einzelpersonen und Internetaktivisten.
In Niederbayern gibt es auch organisationsungebundene subkulturell geprägte Rechtsextremisten sowie rechtsextremistische Einzelpersonen, die sich anlassbezogen, zum Beispiel bei Demonstrationen oder privaten Treffen, zusammenfinden.
Der Dritte Weg (III. Weg)
Die Partei Der Dritte Weg (III. Weg) verfügt in Deutschland über 700 Mitglieder, davon 155 in Bayern.
Die Partei vertritt einen stark neonazistisch geprägten Rechtsextremismus. Zahlreiche Mitglieder, Fördermitglieder und mit der Partei Sympathisierende stammen aus dem Umfeld des 2014 verbotenen neonazistischen Netzwerks Freies Netz Süd (FNS).
Ausführliche Hintergrundinformationen zur Partei finden sie hier.
Die Parteistützpunkte des neonazistischen III. Weg berichten regelmäßig über ihre Aktivitäten auf der Webseite der Partei. So werden bundesweite Kampagnen der Partei durch die einzelnen Parteigliederungen regional oder lokal durch eigene Aktionen umgesetzt, über die dann im Anschluss auf der Parteiseite berichtet wird.
Des Weiteren betreibt die Partei unter der Bezeichnung „Revolution auf Sendung“ ein Internetradioformat. Die Sendungen werden unregelmäßig auf der Webseite der Partei eingestellt und beinhalten Interviews, Musikbeiträge und Nachrichten der Partei. Bei den Interviewpartnern handelt es sich um rechtsextremistische Aktivisten.
Da sich der III. Weg nicht nur als reine Partei, sondern ebenso als „Nationale Bewegung“ versteht, sollen durch regelmäßige Freizeitaktivitäten – wie etwa sportliche Aktivitäten, Wanderungen, Vorträge und Rechtsschulungen – Mitglieder, Sympathisanten und deren Familien eng an Partei und Stützpunkt gebunden werden.
Informationen über Aktivitäten des III. Weg in Niederbayern können unter „Besondere Ereignisse und Aktivitäten“ nachgelesen werden.
Bis 2019 gliederte sich die Partei in die Gebietsverbände Süd, Mitte und West. Am 28. September 2019 beschloss der III. Weg auf seinem Bundesparteitag eine Änderung seiner Satzung. Diese zielte auf eine Umstrukturierung der Gebietsverbände in Landesverbände ab.
Die Gründung des Landesverbands Bayern, der den bisherigen Gebietsverband Süd ersetzte, erfolgte am 25. Juli 2020.
Kreisverbände sind die kleinsten selbstständigen Einheiten der Partei.
Die Satzung ermöglicht es, in Gebieten, in denen keine Untergliederungen bestehen, sogenannte „Stützpunkte“ einzurichten. Zum Jahresende 2023 sind auf der Parteiwebseite 24 Stützpunkte genannt, davon 5 in Bayern. In Bayern befinden sich die 5 Parteistützpunkte „Mainfranken“, „Oberfranken“, „Nürnberg/Fürth“, „Ostbayern“ und „München/Oberbayern“.
In Niederbayern ist der Stützpunkt Ostbayern aktiv, er existiert seit 2014.
Im Januar 2023 kam es durch Aktivisten des III. Weg in Ober- und Unterfranken vermehrt zu Aktionen rund um das Thema „Anti-Asyl“. In diesem Zusammenhang erfolgte erneut eine Zusammenarbeit mit dem rechtsextremistischen Kollektiv Zukunft schaffen – Heimat schützen (KZSHS). In Niederbayern fand in diesem Zusammenhang am 22. April 2023 ein Infostand in Deggendorf statt.
Grundsätzlich ist der Internetauftritt jedes Stützpunkts mit der Parteiwebseite verlinkt, auf der regelmäßig regionale Berichte von Aktionen, wie beispielsweise Flyerverteilaktionen eingestellt werden.
Die Partei eröffnete am 29. Oktober 2022 in Schweinfurt ihr erstes Partei- und Bürgerbüro in Bayern mit einem sog. „Bürgerfest“. Im Nachgang zu dieser Eröffnung kam es auch zur Gründung des Stützpunkts Franken der Nationalrevolutionären Jugend (NRJ), der Parteijugend des III. Weg.
Das Bürger- und Parteibüro in Schweinfurt ist die 4. offizielle Anlaufstelle der Partei im Bundesgebiet und wird als Treff- und Versammlungsort für Rechtsextremisten genutzt.
Nach wie vor laufen Bestrebungen u. a. verschiedener Akteure der Zivilgesellschaft, um den Vermieter des Partei- und Bürgerbüros dazu zu bewegen, den bestehenden Mietvertrag nicht zu verlängern. Die Räumlichkeit wird seitens der Partei vorwiegend zur Durchführung interner Veranstaltungen genutzt. Die seitens der Verantwortlichen erhoffte Etablierung der Partei und der Anschluss an das bürgerliche Lager durch die Schaffung einer Anlaufstelle hat nach Sachlage nicht stattgefunden.
Die Heimat (vormals Nationaldemokratische Partei Deutschlands, NPD)
Die Partei Die Heimat (vormals NPD) verfügt deutschlandweit über 3.000 Mitglieder und Fördermitglieder, davon 430 in Bayern (Stand 2023).
Die Partei wird als rechtsextremistisch bewertet. Das Bundesverfassungsgericht bestätigte mit Urteil vom 17. Januar 2017 die Verfolgung verfassungsfeindlicher Ziele seitens der NPD. Das Gericht entschied jedoch gegen ein Verbot der Partei wegen fehlender Anhaltspunkte für Fähigkeit, ihre verfassungsfeindlichen Ziele durchzusetzen.
Auf einem Bundesparteitag am 3. Juni 2023 nannte sich die NPD in Die Heimat um.
Wie die meisten rechtsextremistischen Gruppierungen und Parteien ist auch Die Heimat im Internet aktiv und kann daher nicht nur durch Aktionen vor Ort, sondern ebenso online, u. a. durch Streaming-Angebote, ihre Ideologie auch in Niederbayern verbreiten.
Die programmatischen Grundlagen der Partei Die Heimat beinhalten das NPD-Parteiprogramm „Arbeit – Familie – Vaterland“, das der damalige NPD-Bundesparteitag bereits im Juni 2010 in Bamberg beschlossen hatte. Die Landesverbände der Partei Die Heimat wurden zudem dazu aufgefordert, ihre bisherigen NPD-Landessatzungen bis spätestens 31. Dezember 2023 an die am 3. Juni beschlossenen Satzung der Partei anzupassen. Als eine der Partei zugehörige Vereinigung nennt die Satzung die Jungen Nationalisten (JN). Die JN waren bislang als Jugendorganisation der NPD bekannt.
In Bayern besteht ein Die Heimat-Landesverband mit einem Vorsitzenden, zwei stellvertretenden Landesvorsitzenden, einem Schatzmeister und fünf Beisitzern. Die personelle Zusammensetzung des bayerischen Die Heimat-Landesvorstands ist weitgehend mit dem damaligen bayerischen NPD-Landesvorstand identisch.
Am 21. Januar 2023 fand in Ansbach eine sich fortbewegende Kundgebung zu den Themen „Frieden, Freiheit und Russland-Sanktionen“ statt. Unter den Teilnehmenden befanden sich auch der bayerische NPD-Landesvorsitzende und bis zu sieben weitere Personen, die bereits zwei Transparente mit dem neuen Parteilabel „Heimat!“ zeigten. Im Juni und Juli 2023 beteiligten sich Die Heimat-Mitglieder mit Transparenten an drei Kundgebungen in Ansbach.
In Aschaffenburg nahmen Die Heimat-Mitglieder aus Bayern und Hessen am 29. Mai und am 20. August 2023 an Kundgebungen einer Bürgerinitiative teil und zeigten dort Transparente mit der Aufschrift „Weg mit der Regierung!“ sowie „Volksfeinde anklagen – Politikerhaftung umsetzen“ und dem „DS“-Symbol der Zeitschrift „Deutsche Stimme“. An einer Kundgebung am 3. Oktober 2023 beteiligten sich erneut die Die Heimat-Aktivisten, darunter ein stellvertretender Bundesvorsitzender.
Am 12. September 2023 gab Die Heimat Bayern den Start einer Flugblattkampagne unter dem Motto „Deutschland braucht deutsche Kinder, keine FLÜCHTLINGE“ in Nürnberg bekannt.
Insgesamt ist festzustellen, dass die parteigebundene rechtsextremistische Szene seit Längerem stagniert. Um Überalterung und Mitgliederschwund entgegenzuwirken, versucht die Partei mit ihrer Umbenennung in Die Heimat die mit dem alten Namen verknüpften negativen Assoziationen hinter sich zu lassen. Gleichzeitig bedient diese Namensgebung das rechtsextremistische Narrativ, wonach die Heimat des „deutschen Volkes“ und dieses selbst in ihrem traditionellen Bestand gefährdet seien.
Öffentlich wahrnehmbare Aktivitäten der Partei in Bayern beschränken sich gegenwärtig auf Mittel- und Unterfranken. Es bestehen Facebook-Profile von Die Heimat für das Bundesland Bayern und die räumlichen Bereiche Ansbach, Franken sowie Untermain.
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Junge Alternative für Deutschland Bayern (JA Bayern)
Die JA ist gemäß § 17a der Bundessatzung der Alternative für Deutschland (AfD) die offizielle Jugendorganisation der Partei. Die JA wurde im Juni 2013 gegründet und ist als eigenständiger Verein mit Sitz in Berlin konstituiert.
Das Verwaltungsgericht Köln hat in einem noch nicht rechtskräftig abgeschlossenen Verwaltungsstreitverfahren der AfD gegen das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) in der Entscheidung vom 8. März 2022 die Zulässigkeit der Beobachtung der JA sowie die Berichterstattung durch das BfV bestätigt. Die AfD hat gegen die Entscheidung des VG Köln Berufung eingelegt.
Bundesweit sind für die JA 1.600 Anhänger zu verzeichnen, in Bayern werden der Gruppierung etwa 70 Personen zugerechnet. Laut Facebook-Profil der JA Bayern ist diese in Bayern mit Sitz in Nürnberg vertreten.
Die JA Bayern weist keine flächendeckenden bayerischen Strukturen auf. Realweltliche Veranstaltungen der JA Bayern fanden 2022 insbesondere im Rahmen der Freizeitgestaltung statt.
Einem Instagram-Post zufolge besuchte Anfang November 2022 ein bayerischer JA-Funktionär, der zugleich Mitglied des JA-Bundesvorstands ist, mit zwei Aktivistinnen der Identitären Bewegung (IB) den Bayerischen Landtag.
Derartige öffentlichkeitswirksame Veranstaltungen 2022 sind in Niederbayern nicht bekannt.
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Identitäre Bewegung (IB)
Die ursprünglich aus Frankreich stammende und inzwischen europaweit agierende Identitäre Bewegung (IB) ist ein rechtsextremistischer Personenzusammenschluss, der eine mitunter subtile, auf den gesamtgesellschaftlichen Diskurs abzielende Beeinflussungsstrategie verfolgt.
Kennzeichnend für den Aktionismus der IB sind öffentliche Stör- und Transparentaktionen, die sie im Rahmen von Social-Media-Kampagnen inszenieren und verbreiten.
Die Identitäre Bewegung Deutschland (IBD) gliederte sich in Bayern nicht nach Regierungsbezirken, sondern nach vermeintlichen „Volksgrenzen“. Die Gliederung in die drei Gruppierungen Identitäre Bewegung Bayern (IB Bayern), Identitäre Bewegung Schwaben (IB Schwaben) und Identitäre Bewegung Franken (IB Franken) scheint in Bayern mittlerweile überholt, auch wenn einzelne Online-Profile weiterbestehen. Stattdessen löst sich die hierarchische Struktur der IB in Bayern infolge des Strategiewechsels zunehmend zugunsten augenscheinlich autonomer Regional- und Ortsgruppen auf. Diese Kleingruppen sollen die IB langfristig flexibler machen und vor staatlichen Maßnahmen, aber auch vor sogenannten „Outing Aktionen“, insbesondere durch den politischen Gegner, schützen.
Nach einem Rückgang in den letzten beiden Jahren nahm die Zahl öffentlicher Aktionen in Bayern 2022 wieder zu. Gleichzeitig bleibt das Aktivitätsniveau der IB nach wie vor eher niedrig. Die festgestellten Aktionen folgen dem beschriebenen Strategiewechsel, was sich insbesondere am Beispiel der Münchner Ortsgruppen Isar Legion und Lederhosen Revolte zeigt. In der Oberpfalz wird die Gruppierung Oberpfalz Revolte der IB zugerechnet. Auch hier führten Aktivisten eine Banneraktion am Rande des dortigen Christopher Street Days (CSD) durch und nahmen an mehreren Protestveranstaltungen teil.
Auch im Norden Bayerns wurde die IB wieder aktiv. Im September 2022 führte sie nahe des Ansbacher Hauptbahnhofs eine Banneraktion auf dem Dach eines Parkhauses durch. Dabei hielten vier vermummte Aktivisten ein Banner mit der Aufschrift „…und täglich grüßt der EINZELFALL“ und der Abbildung eines Murmeltiers mit einem blutigen Messer im Maul über die Brüstung des Parkhausdaches und warfen Flyer hinab. Im Nachgang wurde die Aktion mit einem Foto und einem entsprechenden Textbeitrag auf dem Instagram-Kanal „bollwerk.franken“ veröffentlicht.
In Niederbayern wurden 2022 keine derartigen Aktionen bekannt.
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REICHSBÜRGER UND SELBSTVERWALTER
Das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz beobachtet die Reichsbürger- und Selbstverwalterszene als sicherheitsgefährdende Bestrebung. In kleinen Teilen der Szene finden sich auch ideologische Überschneidungen mit dem Rechtsextremismus; insbesondere dort, wo sich Versatzstücke nationalsozialistischer, antisemitischer und revisionistischer Denkmuster wiederfinden.
Zur Reichsbürger- und Selbstverwalterszene in Bayern zählen u. a. folgende Gruppierungen:
Vaterländischer Hilfsdienst (VHD), Königreich Deutschland (KRD), Indigenes Volk Germaniten (IVG) und die seit dem 19. März 2020 verbotene Gruppierung Geeinte deutsche Völker und Stämme (GdVuSt).
Auch in Niederbayern sind vereinzelt Aktivitäten dieser Gruppierungen bekannt geworden.
In Bayern liegen zu rund 5314 Personen belastbare Hinweise bezüglich ihrer Zugehörigkeit zur Reichsbürger- und Selbstverwalterszene vor. In Niederbayern beläuft sich die Zahl mit Stand 06/2024 auf 648 Personen.
In Bayern sind Angehörige der Szene in den Regierungsbezirken Unterfranken, Mittelfranken und Oberbayern überdurchschnittlich vertreten. Eine eindeutige Zuordnung von Angehörigen der Reichsbürger- und Selbstverwalterszene zur rechtsextremistischen Szene ist bislang nur in wenigen Fällen belegbar. Die Zahl der Reichsbürger in Bayern, die auch in rechtsextremistischen Zusammenhängen bekannt geworden sind, beläuft sich auf ca. 140 Personen.
Reichsbürger bewegen sich in einem für sie geschlossenen Weltbild. Der Glaube daran, dass deutsche Gesetze für sie keine Gültigkeit hätten, führt dazu, dass staatliche Maßnahmen als unrechtmäßig empfunden werden. Gewalttaten richten sich daher in aller Regel gegen staatliche Maßnahmen beziehungsweise gegen Vertreter des Staates. Solche Gewalttaten werden innerhalb der Szene in der Regel als Notwehr gegen den Staat gedeutet. Gewalttäter erfahren dementsprechend nach einschlägigen Vorfällen solidarisierenden Zuspruch. Bei Einzelpersonen, die ideologisch besonders gefestigt erscheinen, ist eine Häufung politisch motivierter Straftaten feststellbar, insbesondere Beleidigungs- und Nötigungsdelikte, in Einzelfällen auch Erpressungsdelikte. Darüber hinaus wurden innerhalb der Szene vermehrt reichsbürgertypische Musterschreiben verbreitet, die häufig als Reaktion auf Bußgeldbescheide an öffentliche Stellen adressiert werden. Diese erfüllen u. a. aufgrund der enthaltenen Schadensersatzforderungen die Straftatbestände der Erpressung, Nötigung und Bedrohung.
Im Jahr 2023 konzentrierten sich die Aktivitäten der Szene wieder vermehrt auf die Durchführung von Seminar- und Vortragsveranstaltungen sowie auf gemeinschaftliche Aktivitäten mit dem Ziel, die eigene Ideologie zu verbreiten und die Vernetzung innerhalb der Szene voranzutreiben. In den Vorträgen und Seminaren geht es u.a. um reichsbürgertypische Problemstellungen, z. B. die Frage, welche Möglichkeiten bestehen, die eigenen Kinder dem staatlichen Schulsystem zu entziehen. Bereits in der Vergangenheit hatten Szeneangehörige damit begonnen, vereinzelt sog. „alternativ Schulen“ zu gründen.
Auch zeigt eine Vielzahl von Sachverhalten die hohe Waffenaffinität bei Angehörigen der Reichsbürger- und Selbstverwalterszene. Sie besitzen zum einen häufig erlaubnisfreie Waffen, die sie zur vermeintlichen Selbstverteidigung und zur Durchsetzung ihrer Ziele einsetzen könnten. Zum anderen werden oft nicht nur legale, (noch) im Besitz befindliche Waffen festgestellt, sondern auch illegale Waffen bis hin zu ganzen Waffenarsenalen. Daher ist es erforderlich, den Waffenbesitz innerhalb der Szene weiterhin konsequent aufzudecken und zu unterbinden, aber auch den Besitz erlaubnisfreier Waffen im Blick zu behalten. Zur Eindämmung des Gefährdungspotenzials durch den Waffenbesitz von Reichsbürgern werden regelmäßig und systematisch waffenrechtliche Erlaubnisse überprüft und, wo möglich, entzogen. Jede waffenrechtliche Erlaubnis setzt eine waffenrechtliche Zuverlässigkeit voraus. Diese ist bei Angehörigen der Reichsbürger- und Selbstverwalterszene aber regelmäßig zu verneinen, da die Nichtanerkennung des Staates und seiner Gesetze ein Kernbestandteil der Ideologie ist.
Straftaten von Angehörigen der Reichsbürger- und Selbstverwalterszene werden seit dem Jahr 2017 gesondert erfasst.
In 2023 wurden insgesamt 306 (Vorjahr: 699) extremistische Straftaten gezählt, darunter 73 Gewaltdelikte (Vorjahr: 197). Den Schwerpunkt bei den Gewaltdelikten bildeten mit 59 Taten erneut die Erpressungsdelikte (Vorjahr: 185). Die Zahl der Widerstandsdelikte sank auf 7 Taten. Mit 146 Taten stellten Nötigungs- und Bedrohungsdelikte erneut den Schwerpunkt der sonstigen 233 Straftaten dar (Vorjahr: 385). Einzelne Personen sind u. a. wegen Verwendung verfassungsfeindlicher Symbole, Volksverhetzung sowie verfassungsfeindlicher Verunglimpfung von Staatsorganen aufgefallen.
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VERFASSUNGSSCHUTZRELEVANTE DELEGITIMIERUNG DES STAATES
Bestrebungen, die basierend auf einem von Verschwörungstheorien geprägten Staats- und Elitenhass in demokratiefeindlicher Weise darauf abzielen, wesentliche Verfassungsgrundsätze außer Geltung zu setzen oder die Funktionsfähigkeit des Staates erheblich zu beeinträchtigen, ohne dabei die Wesensmerkmale extremistischer Bestrebungen eines anderen Phänomenbereichs, wie etwa des Rechtsextremismus, aufzuweisen, werden dem Phänomenbereich der verfassungsschutzrelevanten Delegitimierung des Staates zugerechnet. Hierzu zählen auch Bestrebungen, die sich durch eine agitatorische Verächtlichmachung des Staates gegen das Demokratieprinzip richten, die durch ihre Demokratiefeindlichkeit angetrieben zu extremistisch motivierten Straf- und Gewalttaten aufrufen oder sich unter Verkennung der Art. 20 Abs. 4 Grundgesetz zugrundeliegenden Voraussetzungen auf ein vermeintliches Widerstandsrecht berufen und sich dabei gegen das Rechtsstaatsprinzip stellen.
Das Personenpotenzial im Phänomenbereich verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates liegt in Bayern derzeit im mittleren zweistelligen Bereich.
Personen, die in ihrem Aktivismus gegen die staatlichen Corona-Schutzmaßnahmen nachdrücklich verfassungsfeindliche Ziele verfolgt haben, führten diesen Aktivismus in den meisten Fällen auch im Jahr 2023 fort. Angetrieben durch den Glauben an diffuse Verschwörungstheorien versuchen sie auch in ihrem Umfeld einen Vertrauensverlust in den demokratischen Verfassungsstaat und dessen Repräsentanten herbeizuführen.
Mit dem Rückgang der realweltlichen Veranstaltungen und Aktivitäten der in ihrer Gesamtheit nicht extremistischen Corona-Protestszene verlagerte sich die Agitation der Delegitimierer-szene 2023 zunehmend in den virtuellen Raum. Dieser wurde mit seinen Echokammern und der Möglichkeit sich zu vernetzen für Viele zu einem Rückzugsort. Innerhalb der zumeist themen- oder anlassgebundenen Kanäle und Gruppen treffen Angehörige des Phänomenbereiches auch auf Personen, die zuvor noch nicht mit verfassungsschutzrelevanten Bestrebungen in Kontakt gekommen sind. So werden Hass, Hetze und Gewaltfantasien innerhalb der sozialen Medien verbreitet und können somit bei den jeweiligen Chatteilnehmern ein Klima der Unzufriedenheit und Angst erzeugen. Nicht selten kommt es dabei, angeheizt durch unmoderierte Chatverläufe, zu Radikalisierungsverläufen.
Aussagen von Szeneangehörigen richten sich zum Teil auch gegen die körperliche Unversehrtheit von Politikerinnen und Politikern. In zahlreichen Fällen wurde öffentlich konkret dazu aufgerufen, Straftaten zu begehen.
Es lassen sich in Bayern – und damit auch in Niederbayern – derzeit keine festen Strukturen ausmachen. Feststellbar sind Vernetzungsbestrebungen vor allem im virtuellen Raum, dort überwiegend auf Kommunikationsplattformen wie Telegram.
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VERFASSUNGSSCHUTZRELEVANTE ISLAMFEINDLICHKEIT
Islamfeindliche Agitation ist nicht auf den Bereich des Rechtsextremismus beschränkt. Auch jenseits der rechtsextremistischen, vornehmlich auf Rassismus begründeten Islamfeindlichkeit gibt es Gruppierungen und Einzelpersonen, die Menschen muslimischen Glaubens die im Grundgesetz verankerte Religionsfreiheit nicht zugestehen wollen. Sie setzen den Islam als Weltreligion gleich mit Islamismus und islamistischem Terrorismus und stellen die Religion des Islam als faschistische Ideologie dar, von der eine erhebliche Gefahr für unsere Gesellschaft ausgehe. Bei der verfassungsschutzrelevanten Islamfeindlichkeit fehlen die für den Rechtsextremismus typischen Ideologieelemente wie autoritäres Staatsverständnis, Antisemitismus, Rassismus oder die Ideologie der Volksgemeinschaft.
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LINKSEXTREMISMUS
Sicherheitsbericht des Polizeipräsidiums Niederbayern zur Politisch motivierten Kriminalität (PMK)
(Anmerkung zu „Politisch motivierte Kriminalität“ (PMK): Als PMK werden alle Straftaten bezeichnet und erfasst, die einen oder mehrere Straftatbestände der sogenannten klassischen Staatsschutzdelikte erfüllen, selbst wenn im Einzelfall eine politische Motivation nicht festgestellt werden kann. Bei Straftaten, die auch in der Allgemeinkriminalität begangen werden können, erfolgt eine Würdigung der Gesamtumstände (siehe Bericht des Bundesamts für Verfassungsschutz 2023, Seite 26).
Im Bereich des Polizeipräsidiums Niederbayern kann für den Bereich der Politisch motivierten Kriminalität -links- im Jahr 2023 ein Anstieg der Fallzahlen auf 47 (Vorjahr: 36) festgestellt werden.
An weiteren Informationen interessiert? Der Gesamtbericht des Polizeipräsidiums Niederbayern 2023 kann hier nachgelesen werden.
Linksextremismus in Niederbayern
Ziel der linksextremistischen Szene ist es, die durch das Grundgesetz vorgegebene Staats- und Gesellschaftsordnung der Bundesrepublik Deutschland zu beseitigen und – je nach ideologisch-politischer Orientierung – durch eine sozialistische, kommunistische oder eine „herrschaftsfreie“ Gesellschaft zu ersetzen. Die linksextremistischen Vorstellungen richten sich insbesondere gegen durch das Grundgesetz garantierte Grundrechte, die parlamentarische Demokratie, die Gewaltenteilung, die Volkssouveränität, das Rechtsstaatsprinzip und den Pluralismus.
Die freiheitliche demokratische Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland wird als „kapitalistisches System“ und als Wurzel des Faschismus diffamiert und soll abgeschafft werden. In der linksextremistischen Szene bilden Autonome den weitaus größten Teil des gewaltbereiten Personenpotenzials.
Autonome haben zwar keine einheitliche Ideologie, Ziel aller Autonomen ist es aber, den Staat und seine Einrichtungen zu zerschlagen. Neben Sachbeschädigungen wenden Autonome auch Gewalt gegen Personen – vor allem gegen tatsächliche oder vermeintliche Angehörige der rechtsextremistischen Szene und Polizeikräfte – an, um ihre Vorstellungen durchzusetzen. Die Szene besetzt dabei auch Themen, die an sich nicht extremistisch sind. Ihr Ziel ist es dabei aber in erster Linie, ihre linksextremistischen politischen Positionen zu verbreiten. Hierzu werden vor allem aktuelle, gesellschaftlich relevante Themen wie Klima- und Umweltschutz oder Migration aufgegriffen. Aus ihrem antiimperialistischen Weltbild entwickelt sich bei Angehörigen der linksextremistischen Szene häufig auch ein Antizionismus – die Ablehnung des Staates Israel und dessen Innen- und Außenpolitik.
So werden seit Beginn des Russland-Ukraine-Kriegs die politischen und gesellschaftlichen Auswirkungen auf Deutschland thematisiert und der Kontakt zu bürgerlich-demokratischen Organisationen gesucht, um die Akzeptanz der eigenen antidemokratischen Standpunkte zu erhöhen.
Die derzeit existierenden linksextremistischen Gruppen bilden daher zu einer Vielzahl von Themen (z. B. Antifaschismus, Klima, Feminismus, Flüchtlingshilfe) Untergruppierungen, die sich in den sozialen Medien präsentieren und für ihre jeweiligen Anliegen werben. Vordergründig handelt es sich dabei um unabhängig voneinander agierende Gruppen, die aber im Hintergrund von einem kleinen linksextremistischen Aktivistenstamm bzw. entsprechenden Kerngruppen angeleitet werden. Aktuell zeichnet sich die linksextremistische autonome Szene durch folgende Aspekte aus:
- unverbindliche Strukturen mit niedrigschwelligen Angeboten
- geringer ideologischer Anspruch
- Fokussierung auf spezifische Themenfelder
- kurzfristige Bildung neuer Gruppe
- kleinteilige Gruppen mit häufig wechselnden Personen
- informelle Hierarchien gepaart mit der Möglichkeit für neue Interessierte, sich schnell einzubringen
- Aktions- und Erlebnisorientierung
- starke Präsenz in den sozialen Medien
- Vernetzung mit anderen gleichgesinnten Gruppen.
Aktuell engagieren sich auch einige lokale linksextremistische Gruppen in Bayern verstärkt im Bereich Klima- und Umweltschutz. Bei der linksextremistischen Klimaschutzkampagne „Ende Gelände“ nehmen Szeneangehörige eine tragende Rolle ein.
In Bayern unterhält die linksextremistisch beeinflusste Klimakampagne „Ende Gelände“ Ortsgruppen in Augsburg, Bamberg, Erlangen, München, Nürnberg, Passau, Regensburg und Würzburg. Die Kampagne setzt sich aus verschiedenen Organisationen des demokratischen sowie des linksextremistischen Spektrums zusammen. Ein maßgeblicher Akteur des Bündnisses ist die Gruppierung Interventionistische Linke (IL). Sie übernimmt innerhalb der Kampagne eine strategisch führende Position und fungiert als koordinierendes sowie aktionsinitiierendes Bindeglied zwischen demokratischen und linksextremistischen Organisationen.
Angehörige der linksextremistischen Szene verüben immer häufiger konspirativ geplante Straftaten wie Brandanschläge, zu denen im Nachgang auf einschlägigen Internetportalen anonyme Selbstbezichtigungsschreiben veröffentlich werden. Anschlagsziele sind vor allem Unternehmen der Rüstungsindustrie und die Deutsche Bahn AG, die ihm Rahmen linksextremistischer „Anti-Militarismus“-Kampagnen im Fokus gewaltbereiter Szeneakteure stehen.
Linksextremistische Agitation und Übergriffe richten sich vermehrt auch gegen Einzelpersonen, die z. B. aufgrund von Äußerungen, Berufszugehörigkeit oder der Teilnahme an einer Veranstaltung gezielt angegriffen werden. Auch Presseangehörige stehen im Fokus linksextremistischer Gewalttäter, ebenso wie Personen, die sich von der Szene losgesagt haben.
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