Aktivitäten

Zahlreichen Bürgermeistern, Justizbediensteten, Mitarbeitern von Kommunalverwaltungen und Polizeidienststellen ist das Phänomen Reichsbürger und Selbstverwalter aufgrund langwieriger Auseinandersetzungen bekannt. Mit Vorliebe versenden Anhänger der Szene seitenlange Schriftsätze an staatliche Stellen, in denen die Adressaten gleichermaßen verunglimpft und in pseudojuristischer Diktion belehrt werden. Die in den Zusendungen erhobenen Forderungen sind stets unerfüllbar und/oder unsinnig und sollen in erster Linie Verwirrung stiften. Pseudorechtliche Fantasiesprache, Frakturschrift und Anhänge in englischer Sprache tragen ihr Übriges dazu bei. Im angelsächsischen Raum hat sich für diese Vorgehensweise der Begriff „paper terrorism“ etabliert. Einzelne Personen führen mit dieser Strategie teils über Jahre hinweg einen Kleinkrieg gegen Behörden.

So sollen die betroffenen Amtsträger von rechtlich gebotenem Handeln abgehalten und Verfahrensabläufe gestört werden. Im besten Falle erhoffen sich Szeneangehörige dadurch, den Arbeitsaufwand derart in die Höhe zu treiben, dass dies beispielsweise zur Zurücknahme einer – im Verhältnis dazu – geringen Geldforderung führt.

Da diese Strategie nicht zum Erfolg führt, setzt man auf Einschüchterung: Nicht selten werden betroffene Behördenmitarbeiter damit bedroht, dass man sie „zur Verantwortung“ ziehen werde. Zudem werden Bescheide über Schadensersatzansprüche oder Strafbefehle bis hin zu Todesurteilen selbsternannter Reichsgerichte zugesandt. Bevorzugt werden die absurden Schreiben in der Gründungsphase reichsideologischer Gruppierungen versandt, um alle Welt über die eigene Existenz in Kenntnis zu setzen und sich zu „legitimieren“.

Um die Personalkapazitäten der Verwaltungen gezielt zu belasten, melden sich manche Reichsbürger auch wiederholt bei Einwohnermeldeämtern um oder ab, ohne tatsächlich den Wohnsitz gewechselt zu haben.

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Die wesentlichen Elemente der Reichsbürger- und Selbstverwalterideologie sind verschwörungstheoretischer Art. Die im Zuge der Corona-Pandemie zunehmende Verbreitung von Verschwörungstheorien bietet daher auch potenzielle Anknüpfungspunkte für Szeneangehörige. Durch die Corona-Pandemie sehen sich diese in ihren Vorstellungen vielfach bestätigt. Zugleich finden die von ihnen verbreiteten und geteilten Verschwörungstheorien eine größere Reichweite und sichtbare Zustimmung.

Innerhalb der Reichsbürgerszene werden zu den Ursachen, der Ausbreitung und den Folgewirkungen der Corona-Pandemie unterschiedlichste Fake News und Verschwörungstheorien verbreitet. Insbesondere wurde die Einschränkung bestimmter Grundrechte im Rahmen der „epidemiologischen Lage von nationaler Tragweite“ durch die Bundes- und Landesregierungen szeneintern als Zeichen für das Eintreten eines sogenannten „Tag X“, dem Momentum einer fundamentalen Wende beziehungsweise eines Systemsturzes, bewertet. Angehörige der Szene werfen den handelnden Politikerinnen und Politikern vor, Bürger- und Freiheitsrechte ohne rechtliche Grundlage einschränken zu wollen. Ein kriegsähnlicher Zustand werde erzeugt, indem Angst und Schrecken verbreitet würden, um Recht und Gesetz außer Kraft zu setzen. Die Einschränkung der Bürgerrechte wird in diesem Zusammenhang als strategisches Element eines bestehenden Plans, initiiert von „geheimen Mächten“, zur Entrechtung der Menschen in Deutschland gedeutet. Die wirtschaftliche Rezession in Folge der Pandemie wird als planmäßig vorgesehenes und notwendiges Element gewertet, damit die Mehrheit der Menschen in Deutschland eine Entmündigung billigend in Kauf nehme. Auch die US-amerikanische Verschwörungstheorie „QAnon“ („Q“) verfängt in Teilen der Reichsbürgerszene und wird in verschiedenen Foren diskutiert.

Dass die Corona-Pandemie dazu geeignet ist Radikalisierungsprozesse auch innerhalb der Reichsbürgerszene zu begünstigen, zeigt ein Ereignis vom 6. Januar 2021, als es an der Bahnstrecke Schweinfurt-Gemünden zu einem gefährlichen Eingriff in den Bahnverkehr kam. Die Täter sollen einem auf Telegram geteilten Aufruf Folge geleistet und auf den Bahngleisen insgesamt fünf Plakate unter anderem mit der Aufschrift „Achtung Gleisbruch“ angebracht haben. Durch die „Störaktion“, zu der Personen aus der Corona-Protestszene aufgerufen hatten, musste ein auf der Zugstrecke in Unterfranken verkehrender ICE schlussendlich zur Notbremsung übergehen. Das Amtsgericht Gemünden verurteilte Anfang Dezember 2022 die an der Tat beteiligten Angeklagten wegen fahrlässigen gefährlichen Eingriffs in den Schienenverkehr. Einer der Angeklagten, ein amtsbekannter Reichsbürger, war bereits seit 2020 mehrfach im Zusammenhang mit Veranstaltungen der Corona-Protestszene als Redner beziehungsweise Anmelder in Erscheinung getreten. Er wurde zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und 9 Monaten verurteilt. Gegen seine Mitangeklagte verhängte das Gericht eine Freiheitsstrafe von 9 Monaten auf Bewährung. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Auch über die Themen Corona-Tests, Impfungen und Impfnachweise versuchen Szeneangehörige Schnittmengen mit milieufremden Impfskeptikern herzustellen. Aus ihrer Sicht würden der illegitime Staat und die illegale Verwaltung unzumutbare Hygienemaßnahmen verordnen und gesundheitsschädliche oder gar tödliche Impfungen empfehlen. Mit verschiedenen Maßnahmen, beispielsweise dem Verteilen von eigenen Informationen, versucht die Szene gegen dieses vermeintlich unrechtmäßige und gesundheitsschädliche Handeln des Staates zu mobilisieren.

Im Zusammenhang mit dieser staatsablehnenden Grundhaltung und einer generellen Missbilligung der staatlichen Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung kam es auch zur Ausstellung von falschen Maskenattesten. Eine im Umfeld der Corona-Protestszene aktive bayerische Ärztin, die der Reichsbürgerszene angehört, stellte im Verlauf der Corona-Pandemie mehr als 300 falsche Maskenatteste aus. Das Amtsgericht Garmisch-Partenkirchen verurteilte die 70-Jährige am 3. August 2022 wegen des Ausstellens unrichtiger Gesundheitszeugnisse zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren ohne Bewährung sowie einer Geldstrafe in Höhe von 4.210 Euro und verhängte ein dreijähriges Berufsverbot. Das Urteil ist bislang noch nicht rechtskräftig.

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Reichsbürger und Selbstverwalter bestreiten die rechtmäßige Existenz der Bundesrepublik Deutschland als Staat und bezeichnen diesen zum Teil als „Firma BRD“. Sie sind der Auffassung, dass sie nicht die Staatsangehörigkeit der Bundesrepublik Deutschland besitzen beziehungsweise aus dieser „austreten“ können. Daraus resultieren neben der Vernichtung oder Rückgabe von Ausweisdokumenten auch die Erstellung und der Vertrieb von Fantasiedokumenten sowie die missbräuchliche Beantragung des Staatsangehörigkeitsausweises („gelber Schein“). Entsprechende Antragstellungen von Teilen der Bewegung waren zuletzt rückläufig. Dieser Rückgang ist mutmaßlich auf die erhöhten Antragshürden zurückzuführen, die inzwischen den Nachweis eines „berechtigten Interesses“ vorsehen.

Ausgehend von der falschen Annahme, ohne Staatsangehörigkeitsausweis staatenlos zu sein, beantragen sie häufig einen Staatsangehörigkeitsausweis (sog. „gelber Schein“) zur Bestätigung ihrer Reichs- und Staatsangehörigkeit nach dem Staatsangehörigkeitsgesetz. Der Begriff „Personalausweis“ ist für sie ein Beleg für die Staatenlosigkeit, da als „Personal“ ausschließlich Angehörige einer Firma, hier der „Firma BRD“ bezeichnet würden. Vom Staatsangehörigkeitsausweis erhofft sich dieser Personenkreis – rechtlich völlig unzutreffend – u. a. den „Ausstieg aus der Firma BRD“. Der „gelbe Schein“ wird zudem als Nachweis der „Rechtsstellung“ als Staatsangehöriger des vorgeblich fortbestehenden „Deutschen Reichs“ angesehen.

Andere Reichsbürger wiederum vertreten eine vermeintlich „naturrechtliche“ Auffassung und berufen sich auf ihre Eigenschaft als „Mensch“, der – im Gegensatz zur „juristischen Person“, die von der „BRD-GmbH“ beziehungsweise deren „Schein-Regierung“ konstruiert werde – die Feststellung einer Staatsangehörigkeit nicht benötige. Sie propagieren deshalb die „Staatenlosigkeit“. Wiederum andere suchen nach Alternativen für eine vermeintliche staatliche Beglaubigung der Staatsangehörigkeit, wie etwa die notarielle Beglaubigung von Dokumenten.

Die Notwendigkeit, die deutsche Staatsangehörigkeit mit einem Staatsangehörigkeitsausweis nach dem Staatsangehörigkeitsgesetz (StAG) nachzuweisen, besteht nur ausnahmsweise, z. B. wenn beim Erwerb oder Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit durch persönliche Ereignisse wie Adoption oder beim Erwerb einer ausländischen Staatsangehörigkeit Zweifel entstanden sind. Antragstellungen mit bestimmten typischen Zusätzen (z. B. Bezug auf das RuStAG mit Rechtsstand 1913 und/oder Geburtsland „Königreich Bayern“) begründen zumindest den Verdacht der Zugehörigkeit zur Reichsbürgerbewegung.

Reichsbürger benutzen zudem anstelle amtlicher Ausweise Fantasiepapiere wie „Heimatscheine“, „Reichspersonenausweise“ oder „Reichsführerscheine“. In Einzelfällen geben sie dafür amtliche Ausweisdokumente bei der Meldebehörde ab. Diese Fantasiepapiere sind völlig wertlos und teilweise strafrechtlich relevant. Ihr Vertrieb stellt für Reichsbürgergruppierungen eine wichtige Einnahmequelle dar und wird meist durch „Milieumanager“ organisiert. Über den Verkauf jener Fantasiedokumente und die Veranstaltung von Seminaren und Onlinekursen tragen diese maßgeblich zur Vernetzung der Szene bei, auch wenn sie selbst nicht immer von der Ideologie überzeugt sind.

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Ein beträchtlicher Teil der Aktivitäten spielt sich auch auf den zahlreichen Webauftritten und Social-Media-Plattformen im Internet ab. Auf Videoportalen wie Youtube werden illegal mitgeschnittene Film- und Tonaufzeichnungen persönlicher Auseinandersetzungen mit Behördenmitarbeitern präsentiert, um diese vorzuführen.

Die Tatsache, dass sich auf den meisten reichsideologischen Internetauftritten eine Vielzahl von Hinweisen, Handlungsempfehlungen oder Formblättern zu Verweigerung von Steuern, Buß- und Ordnungsgeldern oder anderen Zahlungen finden, zeigt, dass finanzielle Motive einen breiten Raum in der Szene einnehmen.

Die sozialen Medien ermöglichen es zudem, innerhalb kurzer Zeit Unterstützer aus der Szene zu mobilisieren, um mit deren Hilfe behördliche Handlungen wie z. B. Zwangsräumungen zu blockieren.

Da die Szene der Reichsbürger und Selbstverwalter eine starke Heterogenität und häufiges Einzelgängertum aufweist, entstehen vergleichsweise selten stabile Strukturen. Virtuelle Stammtische und Seminare bieten für Szeneangehörige daher eine adäquate Form, um strukturarm und unverbindlich miteinander in Kontakt und Austausch zu treten. Durch die zeitweise geltenden staatlichen Beschränkungsmaßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie sahen sich Angehörige der Szene gezwungen, noch stärker als bislang alternative Kommunikationsmittel und Plattformen, wie beispielsweise den Messenger-Dienst Telegram, zum Austausch einzusetzen. Bei den digitalen Zusammentreffen wird versucht, die Anwesenden von verschwörungstheoretischen Denkweisen sowie der vermeintlichen Illegitimität der Bundesrepublik Deutschland zu überzeugen. Ebenso finden Personen, die aus verschiedenen Gründen unzufrieden mit dem staatlichen Handeln sind, in der Reichsbürgerideologie vermeintlich einfache Erklärungs- und Lösungsangebote für ihre Probleme. Beim digitalen Austausch haben sich zuletzt verhältnismäßig reichweitenstarke Influencer mit teilweise bis zu 30.000 Abonnenten herauskristallisiert. Über diese überregional aktiven Messenger-Kanäle gelingt es Szeneakteuren, ein relativ großes Publikum zu erreichen und die Reichsbürgerideologie weiterzuverbreiten. Diese Reichweitenerhöhung kann unter Umständen bei Einzelpersonen eine Radikalisierung begünstigen oder beschleunigen.

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Regelmäßig überziehen Angehörige der Reichsbürgerszene Behörden und Gerichte mit querulatorischen Schreiben, in denen sie der öffentlichen Verwaltung und der Justiz ihre Autorität oder ihre Existenz absprechen. Zum Teil verfolgen sie damit das Ziel, sich rechtlichen Verpflichtungen, wie z. B. Forderungen des Staates aus Steuer-, Bußgeld- oder Verwaltungsverfahren, zu entziehen. In umfangreichen Briefen werden z. B. Behörden und Gerichte belehrt und beleidigt oder haltlose Schadenersatzforderungen erhoben, um diese einzuschüchtern und Maßnahmen der Justiz oder der Polizei zu beeinflussen oder gar zu verhindern.

In der gerichtlichen Auseinandersetzung ist der Aktivismus von Angehörigen der Reichsbürger- und Selbstverwalterszene ambivalent: Einerseits schöpfen sie den Rechtsweg weitestgehend aus und überhäufen Gerichte mit Anträgen und Eingaben. Dabei lassen sie sich mitunter auch von selbsternannten Szeneanwälten, sogenannten „Recht-Konsulenten“ (Schreibweise variiert), vertreten. Andererseits bleiben sie häufig Gerichtsterminen fern, wirken nicht am ordentlichen Verfahren mit und versuchen, Strafbefehle einfach ins Leere laufen zu lassen und nicht zu beachten.

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Auch die sogenannte „Reaktivierung von Gemeinden“ konnte vereinzelt festgestellt werden. Dabei werden verschiedene Gemeinden fortan zum Hoheitsgebiet bestimmter Reichsbürgergruppierungen erklärt. In Einzelfällen kommt es dabei auch zu Gewaltandrohung beziehungsweise -anwendung gegenüber staatlichen Repräsentanten.

Im Jahr 2019 wurden mehrfach Schreiben von Reichsbürgern festgestellt, in denen verschiedene Gemeinden fortan zum Hoheitsgebiet ihrer jeweiligen Reichsbürgergruppierung erklärt wurden. Um die eigenen Ziele zu legitimieren und die Bundesrepublik Deutschland als illegitimes Konstrukt darzustellen, führen die Verfasser in den Schreiben pseudojuristische Argumente an. Adressaten waren verschiedene öffentliche Personen in Bayern aus dem Justiz- und Polizeibereich sowie der Verwaltung. In einem Schreiben bezieht sich ein Verfasser, der bereits mehrfach als Absender solcher Schreiben in Erscheinung getreten ist, beispielsweise auf „das tatsächliche und höherrangige Eigentumsrecht der Erstbesiedlung durch unsere germanischen Ahnen im hiesigen Raum“.

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Innerhalb der Reichsbürgerbewegung gibt es Einzelpersonen, die unter Ausnutzung der Ideologie Geld verdienen wollen und verschiedene Produkte und Dienstleistungen anbieten. Sie verkaufen z. B. Fantasiedokumente wie „Reichsstaatsangehörigkeitsurkunden“, veranstalten Seminare und Schulungen oder bieten in Einzelfällen auch Geldanlagen an. Diese als „Milieumanager“ bezeichneten Akteure tragen durch entsprechende Veranstaltungen zur Vernetzung der Szene bei und verbreiten und verfestigen die extremistischen Ansichten von Reichsbürgern, sind aber nicht immer selbst Anhänger der Ideologie.

Unter den „Milieumanagern“ finden sich auch sogenannte „Recht-Konsulenten“. Sie geben vor, auf dem Gebiet des „Reichsrechts“ bewandert zu sein und bieten „Rechtsberatungen“, zum Teil auch im Internet, an. Sie treten meist mit Briefköpfen auf, die denen großer Anwaltskanzleien nachempfunden sind und Internationalität vortäuschen sollen. Ihre mit pseudojuristischer Fachterminologie durchsetzten Schreiben sind darauf angelegt, Fachkompetenz zu suggerieren, stellen sich bei näherem Hinsehen jedoch als völlig widersinnig heraus.

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Die Reichsbürgergruppierung „Königreich Deutschland“ (KRD) mit Sitz in Sachsen ­Anhalt ist in der Szene deutschlandweit aktiv, indem sie verschiedene Seminare anbietet und unterschied­liche Produkte bewirbt. Im Rahmen einer „Gemeinwohl­Messe“ und bei „Unternehmerwochenenden“ wurden in der Vergangen­heit die angeblichen Vorzüge des „Wirtschaftssystems KRD“ vorgestellt. Zuletzt versuchte das KRD sein sogenanntes „Dorfprojekt“ innerhalb der Szene bekannt zu machen. Im Namen des KRD suchte man „engagierte Menschen mit gemeinsamen Visionen, passende Standorte, sowie finanzielle Mittel“ für die Durchführung der „Dorfprojekte“ „im ersten Gemeinwohlstaat der Welt“. Auch in der bayerischen Reichsbürgerszene wurde 2021 diese Idee diskutiert, u. a. auf dem Telegram ­Kanal des bayerischen Ablegers „KRD – Bayern“.

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Bereits vor der Pandemie hatten Personen aus der Szene der Reichsbürger und Selbstverwalter damit begonnen, vereinzelt sogenannte „alternative Schulen“ zu gründen, um jenseits staatlicher Vorgaben und offizieller Strukturen ihre Ideologie in die Beschulung von Kindern und Jugendlichen einfließen zu lassen und diese auch an deren Eltern heranzutragen. In Reaktion auf die pandemiebedingten Beschränkungsmaßnahmen im Schulbetrieb versuchten Gegnerinnen und Gegner der staatlichen Schutzmaßnahmen vermehrt, für ihre Kinder alternative Lernangebote in schulähnlichen Einrichtungen zu etablieren, in denen Maßnahmen, wie Masken- und Testpflicht, nicht umgesetzt werden.

Das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz wurde Ende 2021 auf einen illegalen Schulbetrieb in Erlangen-Eltersdorf aufmerksam. Die Räumlichkeiten wurden am 20. Januar 2022 von Einsatzkräften der Polizei Erlangen in Zusammenarbeit mit den örtlich zuständigen Ordnungsbehörden durchsucht. Im Rahmen der Durchsuchung wurden 15 Kinder im schulpflichtigen Alter sowie drei Betreuungspersonen angetroffen. Die Schulaufsichtsbehördeder Regierung von Mittelfranken stellte den illegalen Schulbetrieb mit sofortiger Wirkung ein. In Reaktion auf die behördlichen Maßnahmen veröffentlichten die Betreiberinnen der „alternativen Schule“ mehrere Videos in den sozialen Medien, in denen sie die Durchsuchungsmaßnahme als „Geiselnahme mit Geiselhaft“ bezeichnen und dem Staat im Allgemeinen jegliche Legitimation absprechen. Die Betreiberinnen waren dem Bayerischen Landesamt für Verfassungsschutz bereits als Anhängerinnen der Reichsbürger- und Selbstverwalterbewegung bekannt.

Das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz prüft stetig, ob an der Gründung „alternativer Schulen“ Reichsbürger und Selbstverwalter oder andere extremistische Akteure beteiligt sind beziehungsweise ob entsprechende Aktivitäten unter inhaltlichem Einfluss einer extremistischen Ideologie stehen. Zudem erfolgt eine regelmäßige Prüfung, ob die Erkenntnisse an für den Schuldienst zuständige Behörden weitergegeben werden können. In diesem Zusammenhang sind bereits behördliche Schließungen „alternativer Schulen“ in Röllbach (Lkr. Aschaffenburg) sowie in Schechen (Lkr. Rosenheim) erfolgt.

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