Hand steckt LAN-Kabel in schwarzen Router
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Internet

Rechtsextremistische Gruppierungen und Akteure nutzen in hohem Maße die Möglichkeiten der digitalen Kommunikation. Zu ihren Zielen gehört es dabei, Angehörige der Szene und Sympathisanten aufzuwiegeln und mit ihren Inhalten möglichst hohe Reichweiten zu erzielen, um Einfluss auf den öffentlichen Diskurs zu nehmen. Sie nutzen klassische Internetseiten, Onlineblogs, Messenger-Dienste (z. B. Whatsapp und Threema) und soziale Netzwerke (z. B. Facebook, Twitter und Instagram) und verbreiten dort in Form von Postings und Kommentaren ihre verfassungsfeindlichen Botschaften und Parolen. Sie bedienen aber auch Formate, die ein jüngeres Publikum ansprechen sollen. So setzen Angehörige der rechtsextremistischen Szene verstärkt auch auf Podcasts und Videoplattformen wie YouTube oder BitChute. Daneben nutzen sie auch aus der Gaming-Szene bekannte Kooperations- und Streamingplattformen wie Discord, Steam oder Twitch. Sie machen sich dabei auch die Funktionsweise sozialer Medien zunutze, durch die „Filterblasen“ entstehen können, in denen Internetuser in ihrer Meinung bestätigt werden. Dies kann dazu beitragen, dass eine fortschreitende Radikalisierung entsteht. Gerade bei emotionalen Diskussionen werden in den sozialen Medien, Foren oder Blogs neben strafrechtlich relevanten Äußerungen auch verfassungsschutzrechtlich relevante rechtsextremistische Äußerungen durch Einzelpersonen getätigt. Auf den Profilen rechtsextremistischer Einzelpersonen finden sich Verschwörungstheorien, Verherrlichung des Nationalsozialismus und rassistische Äußerungen.

Vor dem Hintergrund staatlicher und regulatorischer Maßnahmen gegen ihr Wirken im Internet suchen Angehörige der rechtsextremistischen Szene stets auch nach alternativen Plattformlösungen und neuen Onlineformaten, um ihre Propaganda und ihre extremistischen Botschaften möglichst effektiv zu streuen. Nachdem einige Plattformanbieter wie Facebook und Twitter Sperrungen von rechtsextremistischen Nutzern und Gruppierungen vorgenommen haben, ist eine Abwanderung zu alternativen Plattformen wie vk.com, GETTR oder Telegram festzustellen. Als Alternative zu YouTube nutzen Szeneangehörige insbesondere für Livestreams auch DLive und BitChute. Vor allem der Messenger-Dienst Telegram gewann innerhalb der rechtsextremistischen Szene im Zuge der Corona-Pandemie in besonderem Maße an Bedeutung. Der Austausch auf Telegram wird seitens des Messenger-Dienstes aktuell kaum kontrolliert. Daher kann auf Telegram verfassungsfeindliche Agitation verbreitet werden, ohne dass dies zu einer Sperrung oder Löschung von Accounts führt. Die geringe Regulierung auf Telegram hat in hohem Maße zur Etablierung des Messenger-Dienstes als zentrale Ausweichplattform der rechtsextremistischen Szene beigetragen.

Dies zeigt sich insbesondere an der Strategie der „Identitären Bewegung“ (IB), die im Sommer 2020 infolge von Sperrungen auf anderen Plattformen eine Zusammenstellung sämtlicher Telegram-Kanäle ihrer Untergruppierungen veröffentlichte, um Sympathisanten und Interessierten den Zugang zur Plattform zu erleichtern. Auch das „COMPACT-Magazin“ betrachtet Telegram als das „Darknet des kleinen Mannes“ und sieht die App als wichtige Möglichkeit, einer vermeintlichen Zensur auf Mainstreamplattformen zu entgehen. Die Kommunikation auf Telegram verläuft über Kanäle, Gruppen und Chats. Während in Kanälen ein oder mehrere Akteure Nachrichten, Videos und Sprachnachrichten mit einer Vielzahl von Adressaten teilen können, ist in Gruppen zumindest in Teilen eine gleichberechtigte Diskussion zwischen den Gruppenmitgliedern zu verschiedenen Themen oder mit unterschiedlichem regionalem Schwerpunkt möglich. Telegram-Gruppen gründen sich rasch und weisen in Einzelfällen auch ein dynamisches Wachstum auf.

Die Gruppen-Kommunikation auf Plattformen wie Telegram ist durch eine vergleichsweise große Nutzerzahl, die sich im 3- bis 4-stelligen Bereich bewegt, eine hohe Fluktuationsrate von Usern binnen kurzer Zeitspannen und eine im Vergleich zur Gesamtnutzerzahl verhältnismäßig geringe Anzahl an tatsächlich aktiven Usern gekennzeichnet. Diese wenigen, sich aktiv an der Kommunikation beteiligenden User sind wiederum für den Großteil der geteilten Inhalte verantwortlich. So werden in einer durch das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz exemplarisch untersuchten Gruppe sowohl verschwörungstheoretische und reichsbürgertypische als auch antisemitische Themenfelder mit Text-, Bild- und Tondokumenten aufgegriffen. Die Themen verschieben sich im Zeitverlauf und passen sich oftmals dem Tagesgeschehen an. Viele User sind in mehreren ähnlich gelagerten Gruppen mit extremistischen Bezügen vor allem als passive Mitleser beteiligt. Ein geringerer Teil der User fungiert als Bindeglied zwischen unterschiedlichen Gruppen und trägt aktiv zu deren Vernetzung bei. Oftmals werden von bestimmten Multiplikatoren identische oder ähnliche Inhalte über mehrere Gruppen mit extremistischen Bezügen geteilt. Dies soll eine größere Reichweite erzeugen. Einzelne, sehr aktive User sind somit für einen erheblichen Umfang an Meldungen verantwortlich. Die Inhalte konzentrieren sich dabei meist auf die gleichen Themenfelder, sowohl innerhalb einer Telegram-Gruppe als auch gruppenübergreifend. Auf diese Weise entstehen Filterblasen, die dazu beitragen können, dass User einseitiger Kommunikation ausgesetzt werden, was im Einzelfall Radikalisierungsverläufe begünstigen kann.

Pepe der Frosch
Pepe, der Frosch © StMI

Neben sozialen Netzwerken spielen für Angehörige der rechtsextremistischen Szene auch sogenannte Imageboards (z. B. 8kun und kohlchan) eine wichtige Rolle. Diese Plattformen sind nicht als extremistisch zu bewerten, werden aber von einzelnen Nutzern beziehungsweise Nutzergruppen für extremistische Zwecke herangezogen. Dabei ist zu beobachten, dass häufig Formate gewählt werden, die nur eine kurze Aufmerksamkeitsspanne erfordern. So werden Botschaften u. a. in Form von Memes verbreitet. Szeneangehörige nutzen diese Darstellungsform insbesondere dazu, verfassungsfeindliche Inhalte in einen verharmlosenden und vermeintlich houmoristischen Kontext zu stellen, um so die Akzeptanz solcher Aussagen zu erhöhen und die Grenze des „Sagbaren“ zu erweitern. Besonders verbreitet sind z. B. ein Comic-Frosch mit dem Namen Pepe sowie das Meme „The happy Merchant“ (deutsch: „Der glückliche Händler“), einer Darstellung eines sich die Hände reibenden Menschen mit Kippa, Bart und langer Nase, die auf stereotyp-diffamierende Art einen Juden zeigen soll. Über Darstellungen dieser Figuren werden häufig extremistische Inhalte auf eine vermeintlich lustige Art verbreitet, um insbesondere junge Internetuser anzusprechen.

Der Einsatz digitaler Medienformate und Verbreitungstechniken dient auch zu Vernetzungszwecken, zum internen Austausch sowie zur Absprache von Aktionen. Gerade hier versuchen Rechtsextremisten durch den Einsatz von Diensten und Kommunikationskanälen mit hohen Verschlüsselungs- und Anonymisierungsstandards sich der Beobachtung durch Öffentlichkeit und Sicherheitsbehörden zu entziehen. In sozialen Netzwerken gründen sie geschlossene Foren und Chatrooms zur szeneinternen Kommunikation. Dies ermöglicht etwa die Weitergabe strafrechtlich relevanter Inhalte. Messenger-Dienste spielen zudem eine wichtige Rolle bei der Organisation von Aktionen, Veranstaltungen und Konzerten.

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Das Internet spielt bei Radikalisierungsprozessen, die von einer realweltlichen rechtsextremistischen Szene losgelöst sind, eine zentrale Rolle. Häufig werden täglich viele Stunden im virtuellen Raum verbracht.

Propagandistisch wirkende rechtsextremistische Organisationen und Einzelakteure haben sich darauf eingestellt, dass das Internet heute einen wesentlichen Raum in privater Lebensführung, Freizeitgestaltung und Informationsverhalten einnimmt. Ihre Auftritte in sozialen Medien sind inzwischen fester Bestandteil ihrer Kommunikationsstrategie. Dabei beabsichtigen sie, sowohl mit ihren Anhängern zu kommunizieren als auch Interessenten und Sympathisanten zu gewinnen. Das Internet und insbesondere soziale Netzwerke bieten ihnen erleichterte Zugangsbedingungen zu einem heterogenen Empfängerkreis.

Personen, die sich viele Stunden täglich im Netz bewegen, kommen so fast unausweichlich mit Positionen in Kontakt, die möglicherweise nicht auf den ersten Blick als rechtsextremistisch erkennbar sind und zudem aufgrund punktueller Überprüfbarkeit vordergründig plausibel erscheinen.

Die Radikalisierung im Netz wird dabei noch befördert durch kognitive Verzerrungen, die für menschliches Kommunikations- und Informationsverhalten generell feststellbar sind:

  • Je öfter Menschen etwas hören, desto glaubwürdiger erscheint es ihnen. Bestimmte Behauptungen werden von Rechtsextremisten deshalb immer wieder geteilt und verbreitet.
  • In der Informationsflut selektiert der Mensch die ihn bestätigenden Informationen und ignoriert eher die Widerlegungen. Dies ist als „Bestätigungsfalle“ bekannt und wird zudem durch die Algorithmen und Filterblasen der sozialen Netzwerke verstärkt.
Du entscheidest, wann Du aussteigst! – Dem Sog ins Netz widerstehen!
© StMI

Die vermeintliche Anonymität des Internets begünstigt zudem die Entstehung verbaler Radikalität und das Außerachtlassen von Grundregeln des menschlichen Zusammenlebens. Debatten zu aktuellen Themen werden über alle Phänomenbereiche hinweg emotional und zum Teil mit einer Schärfe geführt, bei der die Schwelle zur Strafbarkeit mitunter deutlich überschritten wird. Die Beiträge umfassen Drohungen, Nötigungen‚ Verunglimpfungen, extremistische Inhalte sowie unverhohlene Aufrufe zu Straf- und Gewalttaten. Solch eine von Gewalt und Hass geprägte Sprache ist grundsätzlich dazu geeignet, ein Klima zu schaffen, in dem Hemmschwellen zur Gewaltanwendung sinken. Das Gesagte und Geschriebene wird schließlich auch als das Machbare bzw. das Gebotene angesehen oder, wenn andere entsprechend handeln, zumindest gebilligt. Verbal ausgelebte Gewaltphantasien können dadurch von einem selbst oder von Dritten als vermeintliche Rechtfertigung von realer Gewalt interpretiert werden. Gewalt und Anschläge erfahren im Nachhinein teilweise Lob und die Täter Anerkennung.

Zwar gehen die zustimmenden Kommentare nur von Einzelnen aus, diese können aber die Stimmung prägen und von Nachahmern als ermutigend empfunden werden, da zumindest kritische Stimmen oft ausbleiben. Diskutanten mit kontroverser Haltung werden mit verbaler Aggressivität ausgegrenzt, Gegenargumente oder Sichtweisen, die nicht dem eigenen Weltbild entsprechen, von vornherein abgelehnt. Da in diesen virtuellen Zirkeln folglich weitgehend gleichgelagerte Wortmeldungen ausgetauscht werden und mitunter nur wenig Widerspruch hierzu geäußert wird, erscheinen auch extreme Positionen als deckungsgleich mit der angenommenen Mehrheitsmeinung. Dies wird dadurch verstärkt, dass Teilnehmer in den betreffenden Zirkeln fast ausschließlich zustimmende Kommentare oder gar Rückmeldungen erhalten, die häufig einen noch schärferen Ton anschlagen. Dies kann zur Folge haben, dass sich Personen ermutigt fühlen, selbst zur Tat zu schreiten. Dies gilt nicht zuletzt für Personen, die bereits psychopathologische Auffälligkeiten zeigen. Entsprechende Radikalisierungsprozesse stellen die Sicherheitsbehörden vor besondere Herausforderungen im Hinblick auf die Identifizierung der häufig nur anonym im virtuellen Raum aktiven Personen sowie die Erstellung von Prognosen, zu deren weiterem Entwicklungsweg und möglichen gewalttätigen Aktivitäten.

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Rechtsextremistische Vertriebe und Versandhandel kommerzialisieren die subkulturell geprägte rechtsextremistische Szene. Das Sortiment ist gezielt auf die Bedürfnisse der Anhänger einzelner Szene-Stilrichtungen wie der Skinhead-, der NS-Hatecore- oder der NS-Black-Metal-Subkultur ausgerichtet. Bei der Produktion und Vervielfältigung von Tonträgern spielen insbesondere die größeren Vertriebe eine wichtige Rolle.

Neben Musik umfasst deren Angebotspalette auch Bekleidung, Fahnen, Flugblätter, Plakate und szenetypische Devotionalien wie Bücher und Aufkleber sowie zunehmend Accessoires für den Alltag wie Sonnenbrillen oder Gürteltaschen. Szeneläden stellen mittlerweile die Ausnahme dar. Nahezu alle Händler bieten ihre Waren auf zum Teil professionell gestalteten Verkaufsplattformen im Internet an. Die Betreiber rechtsextremistischer Vertriebsstrukturen verfolgen insbesondere wirtschaftliche Interessen, manche unterstützen mit ihren Einnahmen auch die rechtsextremistische Szene.

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