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Neonazis

Neonazis, die sich explizit am historischen Nationalsozialismus orientieren, stellen einen relevanten Teil der rechtsextremistischen Szene in Bayern dar. Ihre Zahl betrug 2022 rund 690 (2021: 730).

Neonazistische Akteure, welche sowohl in Parteien, in parteiungebundenen Organisationen als auch im unstrukturierten Personenpotenzial zu finden sind, versuchen in ihrer Ideologie, ihren Aktionsformen und in der von ihnen verwendeten Sprache an ihre historischen Vorbilder aus der Zeit des Nationalsozialismus anzuknüpfen.

Ideologische und symbolische Bezugnahmen zum Nationalsozialismus können von strafrechtlicher Relevanz sein. Oft umgehen Neonazis eindeutig verbotene NS-Assoziationen bzw. loten die Grenzen des Erlaubten aus, indem sie die Bezugnahmen auf die NS-Zeit möglichst subtil gestalten und sich auf die Verwendung von nicht verbotenen Motiven beschränken. Eines der Ziele, die Neonazis mit dieser Strategie verfolgen, ist, dass Ideologie- und Sprachelemente aus der NS-Zeit Eingang in den allgemeinen Sprachgebrauch und die öffentliche Debatte finden. Besonders deutlich ist dies bei der neonazistischen Partei III. Weg. Die Partei hat ihre politischen Zielsetzungen in einem 10-Punkte-Programm niedergelegt, das deutliche Parallelen zum 25-Punkte-Programm der NSDAP aufweist.

Auch über die reine Programmatik hinaus finden sich beim „III. Weg“ immer wieder Bezüge zur NS-Zeit. So veröffentlicht beispielsweise die Partei auf ihrer Webseite unter dem Schlagwort „Sing mit, Kamerad!“ in unregelmäßigen Abständen Texte von Volksliedern der letzten 200 Jahre, insbesondere solche mit ideologischer Konnotation. Mehrere Lieder sind im Kontext des Nationalsozialismus entstanden und wurden von Dichtern mit eindeutigen Bezügen zum NS-Regime verfasst.

Auch Sonnwendfeiern, die einen festen Platz im Terminkalender der rechtsextremistischen Szene haben, sind dem historischen Nationalsozialismus entlehnt. Damals wurden die angeblich altgermanischen Sonnwendfeiern „wiederbelebt“ und als offizielle Feiertage in die Symbolik von „Volk, Blut und Boden“ integriert, insbesondere durch die SS. In dieser Tradition führen Rechtsextremisten die Winter- und Sonnwendfeiern als szeneverbindende kulturelle Veranstaltungen durch.

Neonazistische Gruppen pflegen ferner eine Erinnerungskultur, die sich stark an Personen und Ereignissen aus der NS-Zeit orientiert und einseitige beziehungsweise revisionistische Geschichtsbilder vermittelt. Hierzu zählt u.a. die Durchführung von „Heldengedenken“. Bei rechtsextremistischen „Heldengedenk“-Aktionen wird in der Regel ausschließlich der gefallenen deutschen Soldaten in den beiden Weltkriegen gedacht, die als Helden für Volk und Vaterland dargestellt werden. Dabei werden die Angehörigen der Waffen-SS ausdrücklich mit einbezogen. Das Heldengedenken selbst geht dabei ebenfalls auf den Nationalsozialismus zurück. Die Nationalsozialisten interpretierten dabei den zuvor in der Weimarer Republik praktizierten Volkstrauertag um, der ursprünglich den Gefallenen des Ersten Weltkrieges gewidmet war, und stellten die Heldenverehrung anstelle des Totengedenkens in den Mittelpunkt.

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Der Neonazismus ist eine besonders menschenverachtende Erscheinungsform des Rechtsextremismus. Er umfasst alle Aktivitäten und Bestrebungen, die sich offen zur Ideologie des Nationalsozialismus bekennen. Ziel der Neonazis ist die Abschaffung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung und die Errichtung eines vom Führerprinzip bestimmten autoritären beziehungsweise totalitären Staates. Neonazis betreiben revisionistische Vergangenheitsverfälschung, indem sie die Geschichtsschreibung über die Zeit des Dritten Reiches ändern wollen und die Gewaltherrschaft des nationalsozialistischen Regimes rechtfertigen oder verharmlosen. „Moderne“ Neonazis thematisieren aktuelle sozial- oder gesellschaftspolitische Fragen und liefern vermeintlich einfache Antworten. Bei Demonstrationen greifen sie tagespolitische Themen auf und fordern beispielsweise die „Todesstrafe für Kindermörder“ oder „Arbeitsplätze zuerst für Deutsche“. Ihre Thesen stützen Neonazis auf rassistische und antisemitische Argumentationsmuster.

In Bayern entfalten vor allem der III. Weg sowie auch einzelne Kameradschaften neonazistische Aktivitäten. Die Organisationsform der neonazistischen Kameradschaft ist aber insgesamt rückläufig. So schließen sich Neonazis überwiegend in informellen Gruppen zusammen, die weitgehend ohne feste Strukturen auskommen, oder sie agieren als Einzelpersonen. Vernetzung und Kontaktpflege erfolgen über das Internet und soziale Netzwerke.

Die neonazistische Kameradschaft „Freie Kräfte Berchtesgadener Land“ hat ihren Aktionsraum vornehmlich in Berchtesgaden, Bad Reichenhall und Freilassing. Sie unterhält Kontakte zu den rechtsextremistischen Parteien „III. Weg“ und NPD.

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Das Bayerische Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr hat am 23. Juli 2014 das neonazistische Netzwerk Freies Netz Süd (FNS) verboten. Beim FNS handelte es sich um eine Vereinigung, welche die verfassungsfeindlichen Bestrebungen der verbotenen Fränkischen Aktionsfront weiterführte. Das FNS hatte sich in den Jahren vor dem Verbot zum größten kameradschaftsübergreifenden neonazistischen Netzwerk Bayerns entwickelt.

Das FNS diente als eine Art Dachverband für regionale und lokale neonazistische Vereinigungen aus ganz Bayern und übernahm Koordinierungs- und Lenkungsfunktionen. Neonazis aus ganz Deutschland und aus Tschechien trafen sich regelmäßig zu Szeneveranstaltungen auf einem Anwesen in Oberprex im Landkreis Hof. 2010 hatte die Mutter von Tony Gentsch, einem bundesweit bekanntem Neonazi, die ehemalige Gaststätte erworben. Von dort aus betrieb Tony Gentsch gemeinsam mit dem Neonazi Matthias Fischer einen Versandhandel für rechtsextremistisches Propagandamaterial wie CDs, Bücher und T-Shirts.

Die bayerische neonazistische Szene, insbesondere die ehemaligen Kameradschaften aus dem Umfeld des FNS, haben ihre Aktivitäten inzwischen weitgehend unter das Dach der Partei Der Dritte Weg (III. Weg) verlagert.

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