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Zusammenkünfte von Reichsbürgern und Selbstverwaltern dienen neben der Festigung der eigenen Ideologie auch der Rekrutierung neuer Anhänger. Bei sogenannten Stammtisch-Treffen oder Seminaren wird versucht, Menschen von den in der Szene weit verbreiteten, verschwörungstheoretischen Denkweisen sowie der vermeintlichen Illegitimität der Bundesrepublik Deutschland zu überzeugen.

Dabei lassen sich insbesondere auch finanziell angeschlagene Personen vereinnahmen, denen suggeriert wird, sich durch einen „Austritt“ aus der Bundesrepublik Deutschland von der Steuerpflicht befreien zu können. Ebenso finden Personen, die aus verschiedenen Gründen unzufrieden mit staatlichem Handeln sind, in der Szeneideologie vermeintlich einfache Erklärungen und Lösungen für ihre Probleme.

Da die Szene der Reichsbürger und Selbstverwalter eine starke Heterogenität und häufiges Einzelgängertum aufweist, entstehen vergleichsweise wenig stabile Strukturen. Stammtische und Seminare bieten für Reichsbürger aber eine adäquate realweltliche Form, um strukturarm und unverbindlich miteinander in Kontakt und Austausch zu treten. Durch die zeitweise geltenden staatlichen Beschränkungsmaßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie sahen sich Angehörige der Szene gezwungen, noch stärker als bislang alternative Kommunikationsmittel und Plattformen, wie beispielsweise den Messenger-Dienst Telegram, zum Austausch einzusetzen. Bei den digitalen Zusammentreffen wird versucht, die Anwesenden von verschwörungstheoretischen Denkweisen sowie der vermeintlichen Illegitimität der Bundesrepublik Deutschland zu überzeugen. Ebenso finden Personen, die aus verschiedenen Gründen unzufrieden mit dem staatlichen Handeln sind, in der Reichsbürgerideologie vermeintlich einfache Erklärungs- und Lösungsangebote für ihre Probleme. Beim digitalen Austausch haben sich zuletzt verhältnismäßig reichweitenstarke Influencer mit teilweise bis zu 30.000 Abonnenten herauskristallisiert. Über diese überregional aktiven Messenger-Kanäle gelingt es Szeneakteuren, ein relativ großes Publikum zu erreichen und die Reichsbürgerideologie weiterzuverbreiten. Diese Reichweitenerhöhung kann unter Umständen bei Einzelpersonen eine Radikalisierung begünstigen oder beschleunigen.

Ein Rekrutierungsbereich ist nicht zuletzt auch die Esoterikszene. Personen, die sich der Esoterik zuwenden, suchen dort in der Regel nach Lebenshilfe und Unterstützung bei der Selbstfindung. Reichsbürger legen ihnen nahe, dass sie solange nicht zu sich selbst als „Mensch“ zurückfinden können, solange sie Teil der vermeintlichen „BRD GmbH“ und somit lediglich „Personal“ eines Wirtschaftsunternehmens sind. Um sich davon befreien zu können, sei der „Austritt“ aus der Bundesrepublik Deutschland notwendig.

Beim Thema Impfungen handelt es sich bereits seit Längerem um einen Diskussionsgegenstand innerhalb der Reichsbürgerszene, der in Verbindung mit der Corona-Pandemie nun besonders in den Fokus gekommen ist. Über das Thema Impfkritik kann es Reichsbürgern auch gelingen, eine Schnittmenge herzustellen mit einer milieufremden Klientel, die sich ebenfalls gegen Impfungen ausspricht. In Teilen der Szene wird des Weiteren behauptet, die Hauptmotivation für die geplante Corona-Virusimpfung sei die Injektion eines Chips zur vollständigen Überwachung der Menschen.

Im Zusammenhang mit der Impfkritik bemühen Reichsbürger in Teilen ein weiteres verschwörungstheoretisches Element, das die 5G-Mobilfunktechnik betrifft. Die Ablehnung der 5G-Technologie als vermeintlich gesundheitsschädlich wurde bereits seit einiger Zeit u.a. auf Webseiten mit Reichsbürgerbezug diskutiert oder als Mobilisierungsthema für Veranstaltungen genutzt. Im Zuge der Pandemie wird allerdings auch ein Zusammenhang zwischen 5G-Sendemasten und dem Ausbruch von Covid-19 hergestellt.

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