Gefahrenpotential

Die Ideologie von Reichsbürgern und Selbstverwaltern ist insgesamt geeignet, Personen in ein geschlossenes verschwörungstheoretisches Weltbild zu verstricken, in dem aus Staatsverdrossenheit Staatshass werden kann. Dies kann die Grundlage für Radikalisierungsprozesse sein. Verschiedene Vorfälle belegen, dass sich in der Szene auch gewaltbereite Personen bewegen.

Reichsbürger bewegen sich in einem für sie geschlossenen Weltbild. Der Glaube daran, dass deutsche Gesetze für sie keine Gültigkeit hätten, führt dazu, dass staatliche Maßnahmen aus ihrer Sicht als unrechtmäßig empfunden werden. Gewalttaten richten sich daher in aller Regel gegen staatliche Maßnahmen beziehungsweise gegen Vertreter des Staates. Solche Gewalttaten werden innerhalb der Szene in der Regel als Notwehr gegen den Staat gedeutet. Gewalttäter erfahren dementsprechend nach einschlägigen Vorfällen solidarisierenden Zuspruch. Bei Einzelpersonen, die ideologisch besonders gefestigt erscheinen, ist eine Häufung politisch motivierter Straftaten – insbesondere Beleidigungs- und Nötigungsdelikte, in Einzelfällen auch Erpressungsdelikte – feststellbar. Darüber hinaus wurden innerhalb der Szene vermehrt reichsbürgertypische Musterschreiben verbreitet, die häufig als Reaktion auf Bußgeldbescheide an öffentliche Stellen adressiert werden. Diese erfüllen u. a. aufgrund der enthaltenen Schadensersatzforderungen die Straftatbestände der Erpressung, Nötigung und Bedrohung.

Am 12. April 2022 wollte eine uniformierte Polizeistreife der Polizeiinspektion Landshut einen PKW für eine Verkehrskontrolle anhalten. Der Fahrer des PKW, ein amtsbekannter Reichsbürger, ignorierte zunächst die polizeilichen Anhaltesignale und wies sich später lediglich mit einem für Reichsbürger typischen „Staatsbürgerschaftsausweis“ aus. Eine gültige Fahrerlaubnis konnte er nicht vorweisen, da ihm diese bereits entzogen worden war. Der Fahrer weigerte sich auszusteigen, verbarrikadierte sich in seinem PKW und konnte nur unter Anwendung von Zwangsmitteln aus dem Fahrzeug geholt werden. Bei der anschließenden Durchsuchung des PKWs wurden zwei sprengfähige Übungsmunitionsstücke aufgefunden, mit deren Besitz der Fahrer gegen ein bereits bestehendes Waffenverbot verstieß. Bei einer am selben Tag von der Staatsanwaltschaft angeordneten Durchsuchung des Wohnanwesens in Essenbach konnten diverse Messer und Beile sichergestellt werden. Zudem wurden im Haus einige Fahnen, u. a. eine Reichskriegsflagge mit Hakenkreuz, gefunden.

Der deutschlandweit bislang schwerwiegendste Vorfall war in Bayern zu verzeichnen. Im Oktober 2016 schoss ein 49-Jähriger im mittelfränkischen Georgensgmünd auf Polizisten und verletzte vier Beamte; einer erlag wenig später seiner schweren Verwundung. Mit Blick auf das Gefahrenpotential der Szene ist bei Einzelpersonen nicht auszuschließen, dass die Bereitschaft besteht, die eigene Ideologie auch unter billigender Inkaufnahme von Gewaltanwendung – ggf. auch mit Waffeneinsatz – zu verteidigen.

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