Symbolbild Umwelt- und Naturschutz
© Filip Zrnzevic / Unsplash

Naturschutz

„Umweltschutz ist Heimatschutz“ ist eine gängige Formel heutiger Rechtsextremisten. Dabei verbinden Rechtsextremisten untrennbar den Schutz der Natur mit dem Schutz der Heimat vor fremden bzw. ungewollten Einflüssen. Dahinter steht der Gedanke, dass aus rechtsextremistischer Sicht ethnische Gruppen nur innerhalb ihrer Heimat, also einem begrenzten Raum existieren sollten.

Heutige Rechtsextremisten formulieren Forderungen wie: „Förderung bäuerlicher Familienbetriebe auch in benachteiligten Gebieten“, „Mensch und Natur sind keine Ware! Ethische Grundsätze haben Vorrang vor Maßnahmen der Genmanipulation“ oder „Zum Schutz der Natur zählen auch der Schutz des Tieres und der Erhalt der Artenvielfalt in der Tier- und Pflanzenwelt“.

Aktivisten der neonazistischen Kleinpartei Der Dritte Weg (III. Weg) stellten 2019 im Landkreis Pfaffenhofen an der Ilm selbstgebaute Nisthilfen für Insekten auf. Sie versuchen damit, sich ein ökologisches Image zu geben und an die aktuelle Klima- und Umweltschutzdebatte anzuknüpfen.

Ende Juni 2019 berichtete die Partei III. Weg auf ihrer Website, dass Aktivisten des Stützpunktes München/Oberbayern in der Umgebung des Manchinger Flughafens mehrere selbstgebaute „Insektenhotels“ aufgestellt hätten. Die Standorte der Insekten-Nisthilfen seien bewusst dort gewählt worden, da Grundwasser und Boden durch in der Vergangenheit eingesetzten PFC-haltigen Löschschaum der Flughafenfeuerwehr „auf Jahre verseucht“ seien. Der III. Weg wolle mit seiner Aktion „der natürlichen Vielfalt in diesem Gebiet etwas zur Hilfe kommen“.

Der III. Weg stellt in seiner Berichterstattung die Aktion in einen politischen und ideologischen Zusammenhang. Aktivisten der Partei würden sich tagtäglich für „nachhaltige und naturverbundene“ Veränderungen einsetzen, während das „kapitalistische Weltbild“ Mensch und Natur schädigen würde. In seinem Grundsatzprogramm nennt der III. Weg als ein Ziel der Partei

„die Schaffung bzw. Wiederherstellung einer lebenswerten Umwelt, die Erhaltung und Entwicklung der biologischen Substanz des Volkes und die Förderung der Umwelt.“

Umweltschutz wird lediglich als Mittel zum Erhalt des völkisch-nationalistisch definierten deutschen Volkes gesehen. Unter dem Slogan „Umweltschutz ist Heimatschutz“ haben Parteiaktivisten in der Vergangenheit immer wieder Aktionen durchgeführt, welche die ökologischen Bestrebungen der Partei dokumentieren sollten. So gab es z. B. einzelne Putz- und Aufräumaktionen auf öffentlichen Wegen und Grünflächen. Die Rechtsextremisten versuchten so, sich als vermeintlich gemeinnützige Umwelthelfer in Szene zu setzen.

Aus Sicht der Sicherheitsbehörden ist die Aktion des III. Wegs ein typisches Beispiel für Agitation von Rechtsextremisten im Aktionsfeld Naturschutz. Die Partei betreibt Greenwashing; sie versucht sich durch öffentlichkeitswirksame Aktionen ohne viel Substanz einen „grünen“ Anstrich zu geben und sich als besonders umweltfreundlich darzustellen. So möchte der III. Weg im Kontext der gegenwärtigen Klima- und Umweltschutzdebatte in Politik und Gesellschaft für weitere Bevölkerungsteile als bisher anschlussfähig werden.

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Ein ökologischer Ansatz im Rechtsextremismus ist nicht neu. Eine historische Linie bilden nationalistische Ökologiebewegungen, wie beispielsweise die sogenannten Artamanen. Die Bewegung, die in den 1920er Jahren der Weimarer Republik aktiv war, strebte eine Lebensweise in autarken, bäuerlichen Gemeinschaften in den östlichen deutschen Provinzen an. Dadurch sollten die dortigen polnischen Landarbeiter verdrängt, die eigene physische Robustheit gesteigert und Kenntnisse für die Besiedelung des neuen Lebensraums im Osten gesammelt werden. Obwohl die äußerst heterogene Bewegung anfangs rasch auf über 2000 Siedler anwuchs und auch später prominente NS-Größen wie Rudolf Höß (späterer Kommandant des KZ Auschwitz) oder Heinrich Himmler (Reichsführer SS ab 1929) zum Unterstützerkreis zählten, folgte Anfang der 1930er Jahre nach internen Konflikten der Niedergang.

Seit den 1990er Jahren siedeln mehrere Familien als (Neu-)Artamanen, die sich in der Tradition dieser Siedlungsbewegung junger, „völkisch“ gesinnter Städter sehen, in Mecklenburg-Vorpommern.

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Im historischen Nationalsozialismus verdichtete man den Zusammenhang zwischen Umwelt und Identität zu einer völkischen „Blut und Boden“-Ideologie. Dieser Ideologie zufolge sind „rassisch“ homogene Volksgemeinschaft und Lebensraum die zentrale Lebensgrundlage. Das verherrlichte Bauerntum galt dabei als „Blutsquelle“ des deutschen Volkes. Mit dem „Generalplan Ost“ sollte nach geodeterministischen Verständnis der angeblich durch die einheimischen Völker vernachlässigte und von den Nazis eroberte „neue Lebensraum im Osten“ derart planmäßig umgestaltet werden, dass die dort angesiedelten Deutschen eine heimatliche innere Verbundenheit mit dem Raum hätten herstellen können.

Ganz allgemein ist mit dem Rechtsextremismus in nationalsozialistischer Tradition vielfach ein nostalgisch-rückwärtsgewandtes „zurück zur Natur“ verbunden. Trotz technologischer und industrieller Hochrüstung im Dritten Reich hingen zahlreiche NS-Größen dem verklärten Idealbild eines antimodernistischen, dörfisch-bäuerlich geprägten Staates nach.

Auch parteiprogrammatisch gesehen ist das Aktionsfeld Naturschutz nach der Zeit des Dritten Reiches durch Rechtsextremisten aufgenommen worden. Dies zeigt sich bereits im NPD-Programm von 1973 im Abschnitt „Volksgesundheit und Umweltschutz“. Das Parteiprogramm „Arbeit, Familie, Vaterland“ aus dem Jahr 2010 fordert im Punkt „Landwirtschaft und Naturschutz“ beispielsweise die nationale landwirtschaftliche Selbstversorgung, ein Verbot gentechnisch veränderter Waren und den Erhalt der Artenvielfalt in der Tier- und Pflanzenwelt.

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Mit dem Thema Umwelt- und Naturschutz setzen Rechtsextremisten auf gesellschaftspolitische Themen, die vordergründig jenseits ihrer verfassungsfeindlichen Agenda liegen. Das vorrangige Ziel, das Rechtsextremisten durch ihr „Engagement“ in Sachen Naturschutz verfolgen, ist ein Sympathiegewinn in der Bevölkerung. Durch Verknüpfung sozialer Problemfelder mit rechtsextremistischen Theorieelementen wollen Rechtsextremisten aus den Sorgen der Bevölkerung Kapital schlagen. Auf Bundesebene brachte der Ende 2011 im NPD-Vorstand vollzogene Stabwechsel von Udo Voigt mit seinem „verbal-radikalen“ Auftreten an Holger Apfel und dessen sogenannten „Konzept der seriösen Radikalität“ ein aus taktischen Gründen stattfindendes bürgernäheres Auftreten und eine gemäßigter erscheinende Außendarstellung mit sich. Daraus resultierte auch eine thematische Schwerpunktverschiebung in Richtung gesellschaftspolitischer Themen wie beispielsweise die Euro-Krise oder eben auch Umweltschutz, Atomkraft und Gen-Food. Die von Grund auf rechtsextremistische Weltanschauung änderte sich jedoch nicht.

Heutzutage zeigte in Bayern die rechtsextremistische Ökologiebewegung ihr Gesicht vor allem in Gestalt der Organisation Midgard e. V. Der rechtsextremistische Umwelt-Verein gründete sich Ende 2006 mit Sitz in Landshut. Vorstandsmitglieder wurden durch Verbindungen zur NPD bekannt. Midgard e. V. gab von 2007 bis zum Februar 2020 die Öko-Zeitschrift Umwelt & Aktiv heraus, die sich überwiegend mit den Themen „Umwelt-, Tier- und Heimatschutz“ befasste.

Die besondere Betonung des „Heimatschutzes“ zielt u. a. darauf ab, ein lebenswertes Deutschland nur für die ihrer Abstammung nach Deutschen, nicht jedoch für zugewanderte Menschen zu bewahren. Regelmäßig werden hier auch nationalsozialistisch orientierte Gastbeiträge veröffentlicht. Die für die Publikation typischen Elemente rassischer Überhöhung sowie Diffamierung der bestehenden politischen Ordnung wurden auch in einem Online-Beitrag vom Februar 2017 deutlich. Dort hieß es etwa, dass eine „nicht germanische Minderheit“ die Gegenwart zum Zwecke des Machterhalts umgestalte, während dagegen der „germanische Mensch“ bis zur Vollendung einer „germanischen Hochkultur“ im Abendland nach Größe und Vollendung strebe.

Auch im Neonazispektrum mimt man gern den „Öko-Kümmerer“: Aktivisten des III. Weg führten im Jahr 2019 unter dem Motto „Umweltschutz ist Heimatschutz“ wiederholt Aktionen zum Themenfeld Umweltschutz durch. So berichtete die Partei zu Anfang des Jahres 2019 über eine Aktion des Stützpunkts Nürnberg/Fürth, bei der die Überreste von Silvesterraketen und Böllern eingesammelt wurden. Der Artikel verband diese Aktion mit der Kampagne „Tierfutter statt Böller“, mit der die Partei seit einigen Jahren dazu aufruft, kein Geld für Feuerwerk auszugeben, sondern dieses stattdessen an Tierheime für Futter zu spenden. Aktivisten der Partei aus Ingolstadt übergaben laut eigener Berichterstattung Anfang des Jahres eine Futterspende an ein lokales Tierheim und stellten im Juni 2019 ein „Insektenhotel“ auf. Auf ihrer Webseite berichtete die Partei auch immer wieder über Flyerverteilungen zum Thema Umweltschutz.

Rechtsextremisten projizieren Gesetzmäßigkeiten und Ordnungsprinzipien der Natur unreflektiert auf die Gesellschaft. Daraus entstand die Sicht des „Sozial-Darwinismus“, nach der die von Darwin beobachtete Erkenntnis der Auslese in der natürlichen Umwelt zur Auslese im Überlebenskampf der „menschlichen Rassen“ pervertiert wird. Entsprechend der Vorstellung einer Bedrohung durch Vermischung der „arisch-germanischen Rasse“ begründen Rechtsextremisten nach ihrem Gedankenkonstrukt quasi ein „Verteidigungsrecht“, welches Ausländerfeindlichkeit impliziert. So korrespondiert die Forderung nach dem Erhalt der Artenvielfalt in der Tier- und Pflanzenwelt mit der Forderung nach dem Erhalt der menschlichen „Rassenvielfalt“. In der Diktion der Rechtsextremisten verklausuliert man das regelmäßig auch zum angeblichen „Respekt vor fremden Kulturen“, der „die Vermischung und damit den Untergang der Ursprünglichkeit“ (Umwelt & Aktiv: Nr. 2/2009, S. 29) verbiete.

Die NPD hält ihr Umweltschutzverständnis folgendermaßen in ihrer Programmatik fest:

„[…] Der Mensch wird von seiner Umwelt entfremdet und entwurzelt, er verliert seine Identität.“

Die begriffliche Verquickung von Identität, Heimat als nationale Identität und Umwelt unterstellt im Sinne des sogenannten „Geodeterminismus“ eine prägende (determinierende) Wirkung der Umwelt des Menschen auf seine Identität. Von dieser Grundannahme leiten Rechtsextremisten ab, dass Ausländer, die nicht auf den deutschen Raum geprägt seien, diese Verbindung nie herstellen könnten. Darüber hinaus würden Zuwanderung und Umweltveränderung einen Verlust von Kultur und Identität der Deutschen bewirken.

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