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Gewalt und Militanz

Innerhalb der linksextremistischen Szene ist der größte Teil des gewaltbereiten Personenpotenzials autonomen Gruppierungen zuzurechnen. Sie sind für die meisten linksextremistisch motivierten Gewalttaten verantwortlich, die vor allem bei Demonstrationen gegen den politischen Gegner verübt werden. Ziel dieser überwiegend jungen Akteure ist es, den Staat und seine Einrichtungen – auch mit Gewalt – zu zerschlagen und eine „herrschaftsfreie“ Gesellschaft zu errichten. Mit diffusen anarchistischen, kommunistischen und sozialrevolutionären Ideologiefragmenten schaffen sich Autonome einen vermeintlichen Legitimationsrahmen für ihre Militanz. Gewalttaten werden als notwendiges Mittel dargestellt, um sich gegen die angebliche „strukturelle Gewalt“ des politischen Systems zu wehren. Viele Autonome erleben die Ausübung von Massenmilitanz als sinnstiftende Erfahrung. Gewalt wird zum Ausdruck eines Lebensgefühls. Formen und Ausmaß der Gewaltanwendung sind regelmäßig Gegenstand von Diskussionen in der autonomen Szene. Seit Längerem ist zudem auch in der anarchistischen Szene eine zunehmende Radikalisierung und Hinwendung zur Gewalt feststellbar, die sich besonders gegen die öffentliche Infrastruktur richtet.

Angehörige der linksextremistischen Szene sprechen Andersdenkenden die ihnen in gleichem Maße zustehenden Grundrechte, wie zum Beispiel die Meinungs- oder Versammlungsfreiheit, ab. Als Konsequenz akzeptieren sie nicht, dass die Polizei auch bei Demonstrationen von politisch Andersdenkenden, insbesondere des rechten bis rechtsextremistischen Spektrums, zur Gewährleistung des grundgesetzlich geschützten Versammlungsrechtes eingesetzt werden muss.

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Das Aggressionspotenzial der autonomen Szene ist seit Jahren hoch. Autonome Linksextremisten suchen vor allem bei Demonstrationen, aber auch bei anderen Anlässen gewaltsame Auseinandersetzungen (konfrontative Gewalt). Sie richten ihre Gewalttaten hauptsächlich gegen Personen, die tatsächlich oder vermeintlich der rechtsextremistischen Szene zuzurechnen sind sowie gegen Angehörige der Polizei, aber auch gegen Unternehmen, die sie als „Profiteure des Systems“ begreifen.

Angehörige der linksextremistischen Szene betrachten Polizeikräfte generell als Repräsentanten eines staatlichen „Repressionsorgans“. Sie versuchen zunehmend, die gesellschaftliche Akzeptanz der Polizei als staatliche Institution sowie der einzelnen Polizeikräfte, insbesondere bei der Ausübung polizeilicher Befugnisse, zu untergraben. Jegliche polizeilichen Kontrollen dienen ihnen als Vorwand, ihre „Freiräume“ auch gewaltsam zu verteidigen.

Die Hemmschwelle, auch schwere Straftaten zu begehen, ist deutlich gesunken. Zudem werden linksextremistische Straftaten auch gewalttätiger und persönlicher: Sie richten sich vermehrt gezielt gegen Personen, die von der Szene aufgrund ihrer politischen Ausrichtung oder auch ihres Berufs als „Feind“ identifiziert werden. Im Gegensatz zu früher findet szeneintern nahezu keine Diskussion mehr über die Vermittelbarkeit von Gewalttaten statt: Dies deutet auf eine größere Gewaltakzeptanz innerhalb der linksextremistischen Szene insgesamt hin und birgt die Gefahr, dass bislang gewahrte Grenzen überschritten werden.

Dies zeigt sich vor allem in der zunehmenden Verrohung der Sprache. Linksextremistische Gruppierungen nutzen bei der Benennung vermeintlicher „Feinde“ häufig eine abwertende und entmenschlichende Diktion: Sie bezeichnen z. B. Polizeikräfte als „Bullen“ beziehungsweise „Bullenschweine“ und verbreiten Parolen wie „ACAB – All Cops Are Bastards“ oder „ACAT – All Cops Are Targets“. Bereits im Jahr 1970 wurden Polizisten von der RAF-Terroristin Ulrike Meinhof als „Bullen“ und „Schweine“ verunglimpft. Diese Bezeichnung hat sich im Szenejargon etabliert.

Die verbale Radikalisierung der linksextremistischen Szene ist seit Längerem zu beobachten. Dabei spielen auch Szenepublikationen eine erhebliche Rolle. Linksextremistische Publikationen wie der „Zündlappen“, der Online-Nachfolger der zwischenzeitlich eingestellten anarchistischen Zeitung „Zündlumpen“ aus München, rufen immer wieder zur Begehung von Straftaten auf. Dabei nehmen sie die Schädigung von Leib und Leben anderer Menschen nicht nur billigend in Kauf, sondern begrüßen diese ausdrücklich. Auch Beiträge auf dem linksextremistischen Internetportal „de.indymedia.org“ relativieren linksextremistische Gewalt beziehungsweise fordern diese ein.

Auch 2022 setzte sich in der Landeshauptstadt München eine linksextremistisch motivierte Straftatenserie fort. Anders als in den Vorjahren erfolgen Tatbekennungen aber nur noch selten. Damit können Straftaten, wie z. B. die Brandstiftung an acht Dienstfahrzeugen der Bundespolizei in der Nacht auf den 22. Juni 2022 in München oder der ebenfalls in München verübte Brandanschlag auf Baufahrzeuge und Glasfaserkabel am 25. Juli 2022, nicht eindeutig als linksextremistisch motiviert eingestuft werden. Zielauswahl und Vorgehensweise lassen bei diesen Straftaten jedoch auf einen linksextremistischen Hintergrund schließen. Möglicherweise erachtet die Szene die Bekennung zu einer von ihr verübten Tat als nicht mehr zwingend notwendig, wenn die Tat durch Zielauswahl und Begehungsweise bereits für sich spricht („Direkte Aktion“).

Insbesondere die Diskussion über steigende Mieten und Umstrukturierungsprozesse in Großstädten nutzen vor allem autonome Teile der linksextremistischen Szene als Vorwand, um unter dem Stichwort „Antigentrifizierung“ Straftaten zu verüben. Unternehmen der Bau- und Immobilienbranche werden von der linksextremistischen Szene als „Profiteure“ der Gentrifizierung angesehen und deshalb attackiert

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Linksextremistische Agitation und Übergriffe richten sich vermehrt auch gegen Einzelpersonen, die z. B. aufgrund von Äußerungen, Berufszugehörigkeit oder der Teilnahme an einer Veranstaltung gezielt angegriffen werden. Auch Presseangehörige stehen im Fokus Iinksextremistischer Gewalttäter, ebenso wie Personen, die sich von der Szene losgesagt haben.

Am 8. September 2021 begann am Oberlandesgericht in Dresden der Prozess gegen vier mutmaßliche Mitglieder eines linksextremen Netzwerks, darunter die in Haft sitzende Studentin Lina E. Ende Juni 2022 sagte einer der Angeklagten als Kronzeuge aus. Dieser war zuvor wegen des Vorwurfs, sexuelle Übergriffe begangen zu haben, im Frühjahr 2022 geoutet und aus der linksextremistischen Szene ausgeschlossen worden. In Folge seiner Aussagen kam es zu mehreren Durchsuchungen in der linksextremistischen Szene.

Die linksextremistische Szene in Nürnberg reagierte auf den Prozess mit Graffiti, die u. a. „Freiheit für Lina E.“ reklamieren. Ein entsprechendes Video wurde im Internet veröffentlicht. Eines der Graffiti fordert zudem „9mm für 31er“. Die 9 Millimeter beziehen sich auf den Durchmesser von Patronen. Bei der Bezeichnung „31er“ handelt es sich vermutlich um eine Anspielung auf Paragraf 31 des Betäubungsmittelgesetzes. Dieser ermöglicht für Tatbeteiligte eine Strafmilderung, wenn diese eine Aussage machen. In der Szene wird „31er“ häufig als Synonym für „Verräter“ verwendet. Die Forderung „9mm für 31er“kann somit als Morddrohung gegen den Kronzeugen verstanden werden.

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Bei der Bildung eines „Schwarzen Block“ handelt es sich um eine Demonstrationsstrategie von Autonomen. Die Bildung von sogenannten „Schwarzen Blöcken“ bei Demonstrationen ist Symbol des militanten Politikverständnisses und der hohen Gewaltbereitschaft der autonomen Szene. 

Als „Schwarzer Block“ wird eine zu Gewalt und Militanz neigende Gruppe innerhalb von Demonstrationszügen bezeichnet, die durch einheitlich schwarze Kleidung und Vermummung auffällt. Durch das äußerlich homogene Erscheinungsbild mit schwarzen Kapuzenpullis, Mützen, Tüchern und Sonnenbrillen signalisieren die Teilnehmer zugleich Solidarität untereinander sowie Gewaltakzeptanz bzw. Gewaltbereitschaft gegenüber den Einsatzkräften der Polizei und gegenüber dem „politischen Gegner“. Die einheitliche Bekleidung und teilweise Vermummung soll zudem die Identifizierung einzelner Teilnehmer und die Verfolgung von Straftaten erschweren. 

Der „Schwarze Block“ ist nicht zentral organisiert und koordiniert, sondern ein lediglich punktueller Zusammenschluss gewaltorientierter Linksextremisten. In einem solchen spontanen Zusammenschluss kann eine heterogene Vielfalt unterschiedlicher linksextremistischer Strömungen, Gruppierungen und Einzelpersonen vertreten sein. Wiederholt wurden aus „Schwarzen Blöcken“ heraus Gewalttaten begangen, wobei schwerste Verletzungen der Opfer in Kauf genommen wurden.

Autonome nutzen aber ebenso Demonstrationen anderer – nichtextremistischer – Akteure, um der Veranstaltung eine militante und aggressive Atmosphäre aufzuzwingen und hinter der Deckung friedlicher Demonstrierender Gewalttaten zu begehen sowie andere dazu aufzustacheln (initialisierende Gewalt).

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