Braune Boxhandschuhe auf grauem Betonboden. Schemenhafter Reichsadler auf Boden.
© BIGE

Kampfsport

Kampfsportaktivitäten und -veranstaltungen erweisen sich als zunehmend bedeutsame Aktionsform innerhalb der rechtsextremistischen Szene. Sie dienen vorgeblich dazu, die Anhänger einzelner Gruppen für den „politischen Kampf“ vorzubereiten sowie eine „gesunde Lebensweise“ und „geistige Werte“ zu vermitteln. Tatsächlich soll jedoch ein rechtsextremistisches Erlebnismilieu geschaffen werden, das die Attraktivität der Gruppen sowohl für gewaltaffine Szeneangehörige als auch für unpolitische Kampfsportinteressierte gleichermaßen erhöhen soll und Möglichkeiten der überregionalen und internationalen Vernetzung bietet.

Propagiert wird im Rahmen der jeweiligen Kampfsportinitiativen oftmals eine vermeintlich mystische Pflicht, die „Volksgesundheit“ und „Wehrhaftigkeit“ hochzuhalten und einen „neuen Menschenschlag“ zu schaffen, der stark an das im Nationalsozialismus propagierte Ideal des „Herrenmenschen“ angelehnt ist. Die sportliche Betätigung in verschiedenen Disziplinen des Kampfsports wird ideologisch im Sinne einer Wehrhaftigkeit gegen „das System“ aufgeladen.

Rechtsextremisten überhöhen ihre Sport- und Kampfsportinitiativen, indem sie auf vermeintliche Traditionslinien „deutscher und europäischer Körperkultur“ rekurrieren. Häufige – mitunter stark konstruierte – Bezugspunkte sind dabei Wehrhaftigkeits-Ideale des antiken Sparta und dessen Erziehungs- und militärisches Ausbildungssystem („Agoge“), vermeintlich nordische und germanische Überlieferungen („TIWAZ“), das europäische Rittertum oder auch die neuzeitliche Philosophie („Übermensch“-Konzept von Friedrich Nietzsche). Eine direkte Bezugnahme zu nationalsozialistischer Ideologie und Symbolik wird in der Regel vermieden.

Nicht zuletzt werden die Anhänger und Teilnehmer im Rahmen von Wettkämpfen und Trainings auch auf konkrete Kampfsituationen außerhalb des sportlichen Felds vorbereitet. In einem Beitrag der Partei Der Dritte Weg (III. Weg) heißt es zum Nutzen einer Kampfsportart:

„Für mich als nationalen Aktivisten, der seine Weltanschauung selbst im Alltag mehr oder weniger offen zum Ausdruck bringt und sich deshalb stets einer feindlich gesinnten Umwelt und einer steigenden Zahl von Feinden gegenüber ausgesetzt sehen muss, ist diese Kampsportart somit das ideale Betätigungsfeld, um in etwaigen kritischen Situationen für eine handfeste Auseinandersetzung gewappnet zu sein!“

Mit dem Kampfsport werden szenetypische Ideale wie Wehrhaftigkeit zur Schau gestellt und reproduziert. Darüber hinaus dienen Kampfsporttrainings dazu, sich entsprechende Fähigkeiten anzueignen, um diese im Ernstfall auch anwenden zu können. In der Regel folgt das Training zwar zumindest nach außen hin einer betont defensiven Ausrichtung, die vorgeblich der Selbstverteidigung in einer allgemein als bedrohlich dargestellten gesellschaftlichen und politischen Lage dienen soll. Jedoch stellen derartige Aktivitäten mitunter auch darauf ab, eine Bereitschaft zur Anwendung von Gewalt zu signalisieren. Sie tragen zudem dazu bei, Personen auf gewalttätige Auseinandersetzungen vorzubereiten. Auch die szeneinterne positive Rezeption von in der Vergangenheit stattgefundenen rechtsextremistischen Kampfsportveranstaltungen belegt die Relevanz des Themas.

nach oben

Eines der prominentesten Veranstaltungsformate der rechtsextremistischen Kampfsportszene in Deutschland ist der Kampf der Nibelungen (KdN). Auch für das Jahr 2020 kündigte KdN eine Kampfsportveranstaltung an. Diese sollte am 10. Oktober 202 aufgrund der Corona-Pandemie als Stream angeboten werden. Allerdings wurde eine Veranstaltung am 26. September 2020 in Magdeburg, bei der wohl die Kämpfe für den Stream aufgenommen werden sollten, untersagt und durch die Polizei aufgelöst. Am 11. Oktober 2020 kündigte die Gruppierung dann an, dass sich das „KdN Team“ bis zur Klärung juristischer Fragen zurückziehen werde und sich ausschließlich um den „Ausbau unserer Klamottenmarke“ kümmern werde.

Eine wichtige Rolle hinsichtlich der Organisation der rechtsextremistischen Kampfsportszene spielen nationale wie internationale Kampfsportlabels, die sowohl im Vertrieb von Kleidung und Sportartikeln als auch in der Ausbildung eigener Kampfkader sowie im Bereich Sponsoring aktiv sind. Zu den Labels mit hohem Szenerenommee zählen etwa Black Legion und Greifvogel Wear aus Brandenburg sowie White Rex und Pride France aus Russland bzw. Frankreich.

nach oben
Logo der Arbeitsgemeinschaft Körper und Geist
© Screenshot: der-dritte-weg.info (gesichert: 22.12.20)

In der bayerischen rechtsextremistischen Szene lässt sich ebenfalls ein gestiegenes Interesse am Thema Kampfsport feststellen. Aktivitäten im Bereich Kampfsport sowie eine allgemeine Beschäftigung mit der Thematik können insbesondere im subkulturellen und neonazistischen Teil der rechtsextremistischen Szene festgestellt werden. So gründete die neonazistische Partei III. Weg im Jahr 2018 die Arbeitsgruppe „Körper und Geist“. Sie soll nach Parteiangaben vor allem der „körperlichen Ertüchtigung“ der Parteimitglieder dienen sowie deren Aktivitäten vereinen und koordinieren. Der Fokus der Arbeitsgruppe liegt deutlich auf dem Kampfsportbereich. Es werden Kampf- und Selbstverteidigungskurse angeboten, die sich zum Teil auch an Kinder und Jugendliche richten.

Seit Jahresbeginn 2021 appelliert die Arbeitsgruppe verstärkt an ihre Anhängerschaft, die eigene Wehrhaftigkeit zu verbessern. Auf der Partei-Webseite schreibt die Arbeitsgruppe in ihrem Beitrag vom 9. Januar 2021:

„Denkst Du, daß deine Wehrhaftigkeit niemals auf die Probe gestellt werden könnte? Fühlst Du Dich sicher in einer Zeit, wo nichts mehr sicher ist außer vielleicht deine Haltung, welche Dich denken lässt niemals ein Opfer feindlicher Kräfte zu werden?“

Die dem subkulturellen Rechtsextremismus zuzurechnende Gruppierung KZSHS warnte am 19. Juli 2022 gar davor, dass „organisierte Banden bereits in Grundschulen ihre Mitschüler und Lehrer tyrannisieren“. Eltern sollten deshalb bereits Kinder zu Selbstverteidigung und Kampfsport motivieren. Auch bei rechtsextremistischen Akteuren der „Neuen Rechten“ wird Kampfsport als Teil einer rechtsextremistischen Lebenswelt inszeniert. Zudem stellt sich auch die „Identitäre Bewegung“ (IB) bei Aktivistentreffen häufig als kampfsportaffin dar und veröffentlicht Aufnahmen von dabei durchgeführten Boxtrainings.

nach oben