© Screenshot: prolos.info (gesichert: 22.12.20)

Gewaltorientierte Szene

Der gewaltorientierten Szene werden bundesweit rund 9.600 Linksextremisten zugerechnet. In Bayern zählen hierzu etwa 830 Personen.

Die gewaltorientierte Szene lässt sich grundsätzlich in drei Strömung gliedern. Hierzu zählen die „klassischen“ Autonomen, die den weitaus größten Teil der Szene bilden. Als Weiterentwicklung der autonomen Szene können die Postautonomen gesehen werden. Die Anarchisten schließlich bilden die dritte Strömung. Sie sind nicht minder gewaltbereit als Autonome, begründen ihre Handlungen aber rein auf eine anarchistische Ideologie.

Die Aktionsformen gewaltbereiter Linksextremisten reichen von heimlich begangenen Straftaten, wie Brandstiftungen, bis zu Gewalttaten in Form von „Massenmilitanz“ bei Demonstrationen. Auch die Verletzung von Menschen wird immer wieder bewusst in Kauf genommen. 

Autonome sind – überwiegend junge – gewaltorientierte Linksextremisten. Sie bilden den weitaus größten Teil des gewaltorientierten linksextremistischen Personenpotenzials. Zur autonomen Szene zählen bundesweit rund 7.400 Personen, in Bayern etwa 720. Autonome haben kein einheitliches ideologisches Konzept, sie folgen vielmehr anarchistischen und anarcho-kommunistischen Vorstellungen.

Einig sind sich alle Autonomen in dem Ziel, den Staat und seine Einrichtungen – auch mit Gewalt – zu zerschlagen und eine „herrschaftsfreie Gesellschaft“ zu errichten. Sie rechtfertigen Gewalt als erforderliches Mittel gegen die „strukturelle Gewalt“ eines „Systems von Zwang, Ausbeutung und Unterdrückung“. Gewalttätige Handlungen verstehen sie als Akt individueller Selbstbefreiung von den Herrschaftsstrukturen. Dazu gehören Brandstiftungen, Sabotage, Hausbesetzungen und militante Aktionen bei Demonstrationen. Autonome versuchen, auch demokratische Protestbewegungen für ihren Kampf gegen den Staat zu mobilisieren.

Logo LARA
© Screenshot: facebook.com/ingolstadtlara (gesichert: 22.12.20)

Die autonome Gruppe LARA hat sich Ende 2011 gegründet. Nach eigenen Angaben wurde der französische Begriff „la Résistance!“ als Selbstbezeichnung gewählt, um den Widerstand gegen Missstände zu organisieren und Kritik an den herrschenden Verhältnissen zu äußern.

So erklärte die Gruppe:

„Neues schaffen heißt Widerstand leisten, Widerstand leisten heißt Neues schaffen.“

Unter Bezugnahme auf die marxistische Ideologie greift die Gruppe auf antikapitalistische Argumentationsmuster des Kommunismus zurück:

„Für uns verlaufen die Grenzen nicht zwischen Menschen, sondern zwischen den Widersprüchen gesellschaftlicher Besitzverhältnisse. Es kann nicht sein, dass Menschen ihre Arbeitskraft verkaufen müssen, und Andere davon leben.“

Die Gruppe richtet ihre Agitation u. a. gegen die Partei Alternative für Deutschland (AfD). Im Zusammenhang mit der Asylthematik unterstützte sie im Aktionsfeld Antirassismus das Aktionsbündnis „Fluchtursachen bekämpfen“, das überwiegend von linksextremistischen, teils auch autonomen Gruppen getragen wird.

Im Zuge der Corona-Pandemie gingen auch die Aktivtäten von LARA zurück. Doch am 8. März 2021, dem Weltfrauentag, führte LARA eine Versammlung zum „Internationalen Frauenkampftag“ mit circa 100 Personen durch. Die Umwidmung des „Weltfrauentages“ zum „Internationalen Frauenkampftag“ ist typisch für linksextremistische Organisationen. Zur Bundestagswahl agitierte LARA mehrfach gegen die AfD, jedoch ohne dass die Situation eskalierte. Am 28. Dezember 2021 erklärte LARA ihre Auflösung mit folgender Begründung: Weil wir es geschafft haben, unsere Organisation als Sammelpunkt überflüssig zu machen! Es gibt jetzt vor Ort eine vielfältige linke Szene, die in Ansätzen vielleicht auch schon Bewegung und nicht mehr Szene ist.

Logo der autonomen Szene in Rosenheim
© Screenshot: twitter.com/infogruppe_ro (gesichert: 22.12.20)

In Rosenheim und Umgebung ist eine linksextremistische autonome Szene entstanden, die unter verschiedenen Bezeichnungen auftritt und mit dem „Z – linkes Zentrum in Selbstverwaltung“ über einen Treffpunkt verfügt, an dem sie regelmäßig Veranstaltungen durchführen kann. Die besonders gut vernetzte Gruppe dieser Szene ist die Infogruppe Rosenheim. Sie bezeichnet sich selbst als „autonom, antifaschistisch, emanzipatorisch“.

Die Infogruppe pflegt überregionale Bündnisse zu anderen linksextremistischen Gruppen in Südbayern und Österreich.

Eine weitere Gruppe nennt sich AGIR – Demokratische Jugend. Der Gruppenname dürfte sich von dem kurdischen Wort für Feuer und Flamme, agir, ableiten. Die regional und überregional agierende Gruppe ist seit Ende 2015 bekannt. Bei Aktionen von AGIR konnten bisher 30 Personen mit Bezug zur Gruppe festgestellt werden. Dabei handelt es sich größtenteils um Jugendliche, zum Teil noch Schüler. Die Mitglieder pflegen Kontakte zur autonomen Szene und zu PKK-nahen Organisationen. AGIR betätigt sich insbesondere im „Kampf“ gegen die Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes (PEGIDA).

Zentrale Themenfelder von AGIR sind darüber hinaus der Kampf gegen Kapitalismus, Militarismus und Imperialismus. In einem Internetaufruf von AGIR heißt es:

„Lasst uns die Kriegsmaschinerie auch in Deutschland aufhalten. Die Rüstungsproduktion angreifen. Lasst uns den deutschen Imperialismus bekämpfen, wo wir nur können, mit allen Mitteln, die notwendig sind.“

Neben der Solidarisierung mit Aktivisten weltweit unterstützt AGIR insbesondere den Kampf kurdischer Aktivisten in Syrien. Darüber hinaus treten Autonome aus Rosenheim unter den Bezeichnungen Contre la Tristesse, und Offenes antifaschistisches Plenum Rosenheim auf.

Autonome aus Rosenheim treten auch unter den Bezeichnungen „Contre la Tristesse“ und „Offenes antifaschistisches Plenum Rosenheim“ (OAPR) auf. Das OAPR verhielt sich in der Vergangenheit gegenüber der Partei „Alternative für Deutschland“ (AfD) besonders aggressiv. In sozialen Netzwerken rief das OAPR offen zur Gewalt gegen AfD-Politiker auf. Im Bundestagswahlkampf agitierte das OAPR gegen die AfD. Die Rosenheimer Szene zeigte bei ihren Demonstrationen Banner der „antifascist action!“ sowie der Kampagne „Nationalismus ist keine Alternative“. Auf Social-Media-Kanälen von OAPR und „Contre le Tristesse“ sind Bezüge zur linksextremistischen Szene in München ersichtlich.

 

Die aaud will die bestehenden Verhältnisse durch eine soziale Revolution verändern. Ihr Ziel ist eine klassenlose, herrschaftsfreie Gesellschaft. Die Gruppe betätigt sich im Themenfeld Antifaschismus. Im Gegensatz zum demokratischen Engagement gegen Rechtsextremismus schließt die aaud in der Auseinandersetzung mit dem politischen Gegner die Anwendung von Gewalt nicht aus. Polizeibeamte, die ihrer gesetzlichen Verpflichtung nachkommen, die grundgesetzlich garantierte Versammlungsfreiheit dieser politischen Gegner zu gewährleisten, werden regelmäßig als willfährige Handlanger der Faschisten dargestellt. Darüber hinaus will die aaud Freiräume, wie autonome Zentren und Rückzugsräume – gemeint sind rechtsfreie Räume – schaffen, welche man sich „erkämpft und nicht erbettelt“.

Die Homepage ist verlinkt zu zahlreichen autonomen Gruppen.

Deconstruct reality ist eine autonome Gruppierung im Bereich München. Sie vertritt ein antinationales und antiautoritäres Weltbild und befürwortet die Abschaffung von Staat und Nation:

„Unser Hass richtet sich hingegen an all die Institutionen, die die herrschenden Verhältnisse aktiv stützen - wie den Polizei-, Justiz- und Politapparat“.

Zudem verlinkt deconstruct reality in ihrem Blog zu linksextremistischen und gewaltorientierten Gruppen, wie antifa-NT, „…ums Ganze!“-Bündnis und Linksjugend [solid].

Logo der Gruppe „Sozialrevolutionäre Aktion“ (SRA)
© Screenshot: sozialrevolutionaere-aktion.com (gesichert: 22.12.20)

In Regensburg gründete sich 2017 die autonome Gruppe Sozialrevolutionäre Aktion (SRA). Bei der SRA sind hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte für Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung zu erkennen: Die Gruppierung lehnt Staat, Staatsgewalt und Staatsvolk in ihrer Gesamtheit sowie die parlamentarisch-repräsentative Demokratie, die Volkssouveränität, das (Mehr-)Parteienprinzip und das Rechtsstaatsprinzip ab. In ihrem Selbstverständnis bekennt sich die SRA zudem zum Kommunismus:

„(…) Wir stehen in der Tradition der kämpfenden ArbeiterInnenklasse weltweit. Folgerichtig stehen wir deshalb für einen proletarischen Internationalismus ein. (…) Wir lehnen das kapitalistische Weltwirtschaftssystem in all seinen Ausprägungen entschieden ab. Wir sehen in diesem die Ursächlichkeit der derzeitigen Unterdrückung, Vertreibung, Entfremdung, Ausbeutung, Verelendung, Endmündigung sowie den weltweiten Dauerkriegszustand. (…) Dies gilt es zu erkennen und zu überwinden. (…)“
(Fehler aus dem Original übernommen)

Die SRA lehnt sämtliche Strukturen und die Herrschaft von Menschen über Menschen ab und vertritt somit anarchistisches Gedankengut:

„(…) radikales Denken heißt, den Ursachen auf den Grund zu gehen, deshalb lehnen wir vertikale und hierarchische Strukturen ab. (…)“

Die SRA befürwortet eine Überwindung der bestehenden Gesellschaftsverhältnisse durch Revolution. Zum Erreichen ihrer Ziele distanziert sich die Gruppe nicht von der Anwendung von Gewalt.

Im Zusammenhang mit den Gewalttaten am Nürnberger Jamnitzerplatz im Jahr 2019 und der Verurteilung von zwei Rädelsführern veranstalteten Angehörige der SRA am 29. Januar 2021 in Regensburg eine Versammlung. Unter dem Hashtag „Repression in Bayern“ hatten sie der Polizei vorgeworfen, dass die Widerstandshandlungen, die zur Verurteilung der Rädelsführer geführt hatten, „konstruiert“ worden seien. Der Aufruf endete mit dem Hashtag „ACAB“ (kurz für: „All cops are bastards“) und einem Hinweis auf eine Veranstaltung der linksextremistischen Gruppierungen „Prolos“ und „Auf der Suche“ am 30. Januar 2021.Teilnehmer der Versammlung führten Fahnen der „Freien Deutschen Jugend“ (FDJ) mit, welche zusätzlich das Emblem der SRA zeigten. Am 10. Juli 2021 trat die SRA in Regensburg im Rahmen des Bündnisses „Recht auf Stadt“ mit einem eigenen Redebeitrag am ehemaligen Gebäude einer großen Bank in Erscheinung. Hierbei wurde Kritik am Kapitalismus und am Wohnungsleerstand geübt. Angehörige der SRA beteiligten sich am 3. Juli 2021 an einer Demonstration in Nürnberg-Erlenstegen unter dem Motto „Auf nach Erlenstegen! Besuchen wir die Profiteuer*innen von Kapitalismus und Krise!“. Obwohl die SRA „vertikale und hierarchische Strukturen“ ablehnt, ist sie auch mit dogmatischen Organisationen, wie z.B. der „Deutschen Kommunistischen Partei“ (DKP) Ortsgruppe Regensburg und der FDJ Ortsgruppe Regensburg, gut vernetzt. Gemeinsam organisierten sie die Proteste zum „Anti-Kriegstag“ am 1. September 2021 in Regensburg.

Logo der Gruppe „Organisierte Autonomie“ (OA)
© Screenshot: redside.tk (gesichert: 22.12.20)

Die bereits 1993 gegründete OA ist ein Zusammenschluss eigenständiger autonomer Gruppen in Nürnberg, der sich als offenes Projekt versteht. Dabei spiegelt der Name den Widerspruch zwischen jeglicher Ablehnung von Strukturen einerseits und dem erforderlichen Mindestmaß an Organisation zur Zielerreichung andererseits wider. In ihrer Selbstdarstellung tritt die OA für eine kommunistische Gesellschaftsordnung ein, die im kontinuierlichen Kampf gegen die herrschende Ordnung erreicht werden soll.

Ihr Ziel ist es den „Klassenkampf von unten“ zu organisieren. Was die OA unter Antifaschismus versteht, wird in einer von ihr herausgegebenen Broschüre deutlich:

„Faschismus ist kein geschichtlicher Betriebsunfall, sondern ein gern genutztes Mittel der herrschenden, kapitalistischen Klasse zur Aufrechterhaltung ihres menschenverachtenden Systems.“

Die OA nutzt Treff- und Veranstaltungsörtlichkeiten im Nürnberger Stadtteil Gostenhof. Zu diesen gehört das Selbstverwaltete Kommunikationszentrum Nürnberg e. V. (KOMM e. V.), das Anlaufstelle für viele linksextremistische Gruppierungen ist. In Gostenhof veranstaltet die OA auch ihre jährliche „revolutionäre 1. Mai-Demonstration“ und das im Anschluss daran stattfindende „Internationalistische Straßenfest“.

Der Schwerpunkt der politischen Agitation der OA lag 2021 nach wie vor im Bereich der Antigentrifizierung. Im Fokus stand dabei die von der Stadt Nürnberg avisierte Umgestaltung beziehungsweise Umplanung des Jamnitzerplatzes. Unter dem Motto „Reclaim Gostenhof“ organisierte die OA zahlreiche Initiativen, Aktionen und Veranstaltungen mit dem Ziel, die Örtlichkeit als eigenes Betätigungs- und Rückzugsgebiet zu beanspruchen. Zunehmend spielten auch die Themen Antirepression und die staatlichen Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie
eine zentrale Rolle in ihrer Agitation. Am 30. Januar 2021 wurde zu einer Versammlung zum Thema „Polizeistaatlichkeit und Jamnitzerurteil“ aufgerufen, an der sich 220 Personen aus dem linksextremistischen Spektrum beteiligten. Dabei wurden Fahnen und Transparente der linksextremistischen Organisationen „Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend“, „Prolos“, „Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands“ und „Auf der Suche“ mitgeführt. Hintergrund der Versammlung war das Berufungsverfahren gegen ein Urteil des Amtsgerichtes Nürnberg gegen zwei Linksextremisten wegen besonders schweren Fällen des Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte. Die beiden Angeklagten wurden in erster Instanz als Rädelsführer einer 60-köpfigen Personengruppe aus dem linksextremistischen Spektrum zu einer Haftstrafe von 15 und 18 Monaten jeweils ohne Bewährung verurteilt. Sie hatten Polizeikräfte im Rahmen eines Einsatzes wegen Ruhestörung am 28. Juni 2019 am Jamnitzerplatz in Nürnberg massiv bedrängt, bedroht und beleidigt. Das Landgericht Nürnberg-Fürth wandelte am 2. Februar 2021 die Haftstrafe eines Angeklagten unter Bedingung der Zahlung einer Geldstrafe in Höhe von 1.500 Euro in eine Haftstrafe auf Bewährung um. Hinsichtlich des zweiten Angeklagten wurde die Haftdauer auf 14 Monate ohne Bewährung reduziert. Seine Revision blieb ohne Erfolg. Noch am selben Tag wurde eine einstündige Kundgebung am Nürnberger Jakobsplatz durchgeführt, an der sich bis zu 90 Personen mit überwiegend linksextremistischem Hintergrund beteiligten. Während der Veranstaltung wurden polizeiliche Einsatzkräfte verunglimpft. Zudem wurden Banner mit den Aufschriften „Jamnitzerplatz, no cops, no stress“ und „Polizeigewalt und
Rassismus stoppen“ mitgeführt. Am 20. März 2021 beteiligte sich die OA am „Tag der politischen Gefangenen“ in Nürnberg am Jamnitzerplatz. Die Mehrheit der 60 Versammlungsteilnehmenden stammte hierbei aus dem linksextremistischen Spektrum, darunter befanden sich u.a. Anhänger der „Roten Hilfe“ und der DKP. Seit dem Vorfall im Jahr 2019 sucht die linksextremistische Szene in Nürnberg – unter maßgeblicher Führung der OA – verstärkt die Konfrontation mit der Polizei.

Logo der „Revolutionär Organisierten Jugendaktion“ (ROJA)
© Screenshot: facebook.com/ROJAnbg (gesichert: 22.12.20)

Die 2009 gegründete ROJA ist eine autonome Jugendorganisation in Nürnberg. In ihrem Selbstverständnis beruft sie sich auf den Marxismus und fordert neben einem konsequenten Antikapitalismus auch Klassenkampf und Revolution:

„Bewusst sind wir auch der Tatsache, dass dieses menschenverachtende System, in dem eine kleine Minderheit sich an dem Elend aller anderer bereichert, nicht ohne den Klassenkampf aller Ausgebeuteten und Unterdrückten – und nicht ihrer StellvertreterInnen – gegen die AusbeuterInnen und UnterdrückerInnen abgeschafft werden kann.“

Ein zentrales Betätigungsfeld der ROJA ist der Antimilitarismus. Unter Slogans wie „Bundeswehr raus aus den Schulen!“ oder „Für die soziale Revolution weltweit!“ agitiert die ROJA gegen Informationsveranstaltungen der Bundeswehr.

Die ROJA ist eng mit der „Organisierten Autonomie“ (OA) verbunden und war zusammen mit den „Prolos“ an der Besetzung des Nürnberger Jamnitzerplatzes Ende Juni 2019 beteiligt. Auch an den linksextremistisch organisierten Protestaktionen im Zusammenhang mit der Urteilsverkündung gegen zwei Linksextremisten im Jahr 2021 nahm die ROJA teil. Angehörige der ROJA beteiligten sich in 2021 an mehreren Versammlungen in Nürnberg. Vereinzelt wurden auch eigene Versammlungen durch ROJA-Mitglieder angemeldet und durchgeführt. Die Corona-Pandemie entwickelte sich zunehmend zum bestimmenden Thema ihrer Agitation. Am 3. Januar 2021 nahmen Angehörige der ROJA am Protestgeschehen gegen eine „Querdenken“-Versammlung in Nürnberg teil. Über 160 Personen aus der linksextremistischen Szene, darunter auch Mitglieder der OA, der „Prolos“ und der „Interventionistischen Linken“ (IL) beteiligten sich an dieser Gegendemonstration.

Logo der autonomen Gruppe „Prolos“
© Screenshot: prolos.info (gesichert: 22.12.20)

Die Prolos sind eine 1980 gegründete autonome Gruppierung in Nürnberg. In ihrem Programm verortet sich die Gruppierung im Marxismus und lehnt den demokratisch verfassten Staat ab:

„Mit diesem Programm wollen wir erklären (...) warum wir der Ansicht sind, dass wir eine freie kommunistische Gesellschaft brauchen, in der die Produktionsmittel vergesellschaftet sind und die politische Planung von Produktion, Reproduktion, Leben, Gesellschaft, Kultur und Wissenschaft in der Hand aller im Sinne basisdemokratischer Räte und Kommunen organisiert wird. Wir (...) hoffen, dass euch die (...) Texte anregen (...), den Kampf gegen das kapitalistische System aufzunehmen.“

Die „Prolos“ waren wie auch die „Organisierte Autonomie“ (OA) und die „Revolutionäre Organisierte Jugendaktion“ (ROJA) im Juni 2019 an der Besetzung des Jamnitzerplatzes in Nürnberg beteiligt. Im Zuge von linksextremistisch organisierten Protesten am 30. Januar 2021 und am 2. Februar 2021 gegen das die Verurteilung zweier Linksextremisten im wesentlichen bestätigende Berufungsurteil des Landgerichtes Nürnberg-Fürth traten die „Prolos“ zusammen mit Angehörigen der OA und ROJA in Erscheinung. Am 7. März 2021 beteiligten sich Angehörige der „Prolos“ in Nürnberg anlässlich des von der linksextremistischen Szene ausgerufenen „Internationalen Frauenkampftages“ am 8. März 2021 an einem „Feministischen Sitzstreik“. Insgesamt befanden sich unter den 1.100 Personen auch etwa 300 aus dem linksextremistischen Spektrum. Die Versammlung wurde durch die ROJA angemeldet und organisiert. Für den 3. Juli 2021 riefen die „Prolos“ zur Teilnahme an einer Versammlung zum Thema „Antigentrifizierung“ des linksextremis-tischen Bündnisses „Gemeinsam kämpfen – ihre Krise nicht auf unseren Rücken“ auf. Dem Bündnis gehören u.a. die linksextremistischen Organisationen OA, „Prolos“, ROJA, „Deutsche Kommunistische Partei“ (DKP) Nürnberg und die „Interventionistische Linke“ Nürnberg an. Die Demonstrationsroute verlief vom Nürnberger Stadtteil Gostenhof in den Stadtteil Erlenstegen. Mit provokanten Botschaften und Kampfansagen wie „Die neuen Besitzer sind da!“ und „Enteignen Ehrensache“ zogen rund 100 Angehörige der linksextremistischen Szene durch Nürnberg-Erlenstegen. Bereits im Vorfeld des Protestes war in den Morgenstunden des 28. Juni 2021 ein Restaurant in Gostenhof mit der Graffiti-Botschaft „Verpisst euch nach Erlenstegen“ beschmiert worden.

nach oben

In der autonomen Szene wird seit Längerem eine Organisations- und Militanzdebatte geführt. Seit Beginn der 1990er-Jahre wuchs die interne Kritik, die autonome Bewegung sei zu unorganisiert, um nachhaltig politische Veränderungen bewirken zu können. Im Zentrum der Debatte steht dabei die Frage, wie eine breitere gesellschaftliche Akzeptanz für die eigenen autonomen Positionen erreicht werden kann. Infolgedessen sind mehrere sog. postautonome Gruppierungen und Netzwerke entstanden, die die gesellschaftliche Isolation der Autonomen durchbrechen wollen.

In der Szene besonders prägend wirkt die Interventionistische Linke (IL). Sie war erstmals im Jahr 1999 bei den Protesten gegen die EU-Ratstagung und den Weltwirtschaftsgipfel in Köln aktiv und gründete sich 2005 als informelles bundesweit agierendes Netzwerk. Die IL verfolgt den strategischen Ansatz einer spektrenübergreifenden Mobilisierung unter ihrer Führung. Dabei versucht sie, alle linksextremistischen Strömungen – bis hin zu militanten Autonomen – zu integrieren.

Postautonome versuchen, ein Scharnier zwischen gewaltbereiten Linksextremisten und gemäßigten Kräften zu bilden. Die Vorsilbe „Post“ steht für die Infragestellung einiger grundlegender Merkmale, aber nicht für einen vollständigen Bruch mit dem gewaltorientierten autonomen Politikansatz. Um zwischen linksextremistischen und demokratischen Akteuren zu vermitteln, bedienen sich die Postautonomen des Begriffs des „zivilen Ungehorsams“. Vordergründig beteiligen sich Postautonome nicht an gewalttätigen Ausschreitungen, allerdings distanzieren sie sich auch nicht eindeutig vom Einsatz von Gewalt zur Durchsetzung politischer Ziele. Vereinbarungen über die zulässigen Formen des Protestes sind dabei oft reine Formelkompromisse, die der Auslegung breiten Raum lassen. Gewalttätige Eskalationen sind Teil der eigenen Planung und werden nach einer Risikoabwägung bewusst eingesetzt.

Postautonome engagieren sich z. B. in Mieter- und Stadtteilinitiativen, in der Flüchtlingshilfe, in antifaschistischen Gruppierungen und in der Antiglobalisierungsbewegung. Im Rahmen dieser Bündnisse wird verstärkt auf die Vermittlung theoretisch-marxistischer Inhalte nach außen geachtet. Der Antikapitalismus bildet einen ideologischen Schwerpunkt der IL.

Logo der postautonomen Gruppe „Interventionistische Linke“
© Screenshot: twitter.com/inter_linke (gesichert: 22.12.20)

Die IL wurde 2005 als bundesweites Netzwerk gegründet und im Oktober 2014 zu einer bundesweiten Organisation umformiert. Bundesweit werden der IL etwa 1.000 Mitglieder zugerechnet. In Bayern existieren Ortsgruppen in Aschaffenburg, München und Nürnberg.

Ideologisch orientiert sich die IL am Marxismus/Kommunismus. Sie versteht das bestehende Gesellschaftssystem als eine Zwei-Klassen-Gesellschaft, in der die herrschende Klasse (Kapitalisten) die Arbeiterklasse (Proletariat) ausbeutet und unterdrückt. Ziel der IL ist die Abschaffung der bestehenden Staats- und Gesellschaftsordnung und die Installation einer klassenlosen Gesellschaft. Dabei fokussiert sie sich nicht ausschließlich auf regionale Protestaktionen, sondern wirkt an der Vorbereitung überregionaler Aktionen mit.

Die IL stellt auf ihrer Webseite die Broschüre „Solidarity will win“ zum Herunterladen bereit. In dieser „kleinen Ratgeberin für Klimabewegte und solche, die es werden wollen“ wird vielfach auch auf „Ende Gelände“ als Ansprechpartner verwiesen. Die IL startete im Frühjahr 2020 die Kampagne „#EntnazifizierungJetzt“. Ziel der Kampagne ist es, Informationen über vermeintliche rechtsextremistische und rassistische Vorfälle bei Sicherheitsbehörden zu erlangen, um diese zu sammeln und auszuwerten. Zu den Sicherheitsbehörden zählen die Seitenbetreiber dabei neben den Polizeibehörden des Bundes und der Länder, der Bundeswehr und der Nachrichtendienste auch die Justiz. Die Kampagne „#EntnazifizierungJetzt“ bewegt sich nur vordergründig im Themenfeld Antifaschismus, ihre eigentliche Zielsetzung ist die Verunglimpfung von Sicherheitsbehörden, denen eine faschistische Ausrichtung unterstellt wird. Dadurch soll die linksextremistische Agitation gegen den Staat als Kampf gegen den Faschismus umgedeutet werden. Die linksextremistischen Feindbilder Polizei, Nachrichtendienste, Bundeswehr und Justiz werden als „staatliche Repression“ und als strukturell dem Faschismus verhaftet gebrandmarkt. Am 21. Januar 2021 veröffentlichte die Kampagne auf ihrer Webseite eine interaktive Übersichtskarte, auf der derartige behauptete Vorfälle lokalisiert und zeitlich eingeordnet werden können. Auf ihren Facebook-Account wirbt die IL für die Webseite.Die auf der Webseite gelisteten älteren Fälle sind dem „Braunbuch“ der DDR von 1968 entnommen. Dabei handelte es sich um eine kommunistische Propagandaschrift, die der Diskreditierung der Bundesrepublik und ihrer Funktionsträger dienen sollte.

Die IL verfügt in Bayern über Ortsgruppen in Aschaffenburg, München und Nürnberg.

Logo der postautonomen Gruppe „Antikapitalistische Linke München“ (AL-M)
© Screenshot: facebook.com/RotesMuenchen (gesichert: 22.12.20)

Die AL-M ist eine revolutionär-kommunistisch ausgerichtete postautonome Gruppierung. Sie verfolgt marxistisch-leninistische und trotzkistische Ideologieelementen mit dem Ziel, den demokratischen Verfassungsstaat zu beseitigen und durch ein kommunistisches System zu ersetzen:

„(...) Notwendig ist: die Revolution. (...) Die revolutionäre Theorie, um die Welt zu begreifen und sie zu verändern, ist der Marxismus. Die einzige Alternative zum heutigen Kapitalismus ist eine andere Gesellschaft: Der Kommunismus – dafür kämpfen wir.“

Die AL-M ist ein Bindeglied zwischen dem traditionell kommunistisch ausgerichteten Spektrum des Linksextremismus und der autonomen Szene. Die Internetseite der AL-M dient als Mobilisierungsplattform für das gesamte linksextremistische Spektrum in München. Dort wird nicht nur zu autonomen Gruppen wie Antifa-NT verlinkt, sondern auch zu linksextremistischen Parteien und Organisationen wie der Roten Hilfe e. V. und der SDAJ. Die Gruppierung ist bei mehreren Themen, die von Linksextremisten besetzt werden, aktiv, z. B. bei Aktionen zum Antimilitarismus.

Am 10. Juli 2021 wurden von der Polizei zwei Baumhäuser im Forst Kasten geräumt. Die Betreiber des Protestcamps kündigten weitere Baumhausaktionen an. Bereits seit einigen Jahren ist die AL-M in das Bündnis „Perspektive Kommunismus“ (PK) eingebunden. Diesem 2014 gegründeten, überregionalen Bündnis gehören noch weitere Gruppierungen aus Baden-Württemberg und Hamburg an. PK zielt darauf ab, sich zu einer „bundesweiten, aktionsorientierten und revolutionären, kommunistischen Organisation“ zu entwickeln. Das Bündnis ruft offen zur Militanz und Gewalt auf. Es erklärte sich im Oktober solidarisch mit den im sogenannten Stuttgarter „Wasen-Prozess“ wegen schwerer Körperverletzung an mutmaßlichen AfD-Angehörigen verurteilten linksextremistischen Straftätern.

Aus Protest gegen die Internationale Automobil-Ausstellung „IAA Mobility 2021“ (IAA) wurde seitens der „Perspektive Kommunismus“ die Kampagne „Smash IAA – Autokonzerne enteignen“ (Smash IAA) initiiert. Während der IAA verweigerte „Smash IAA“ die Beteiligung am Aktionskonsens anderer Protest-Bündnisse, u.a. des „[...] umsGanze!“-Bündnisses und „Ende Gelände“, keine schweren Straftaten zu begehen.

Im Bundestagswahlkampf 2021 schloss sich der ASM der bundesweiten Kampagne „antifascist action! Gegen rechte Krisenlösungen“ an. Im Rahmen dieser Kampagne störten Angehörige der linksextremistischen Szene bereits ab März die Wahlkampfveranstaltungen der Partei „Alternative für Deutschland“ (AfD) in München. Bei einer von der Kampagne organisierten Demonstration am 25. September 2021, dem Tag vor der Bundestagswahl, wurden Polizeikräfte mit Stöcken angegriffen und ein Haus, in dem sich u.a. von einem AfD-Bundestagsabgeordneten genutzte Räume befinden, mit farbgefüllten Christbaumkugeln beworfen.

Logo des Bündnisses „Perspektive Kommunismus“
© Screenshot: perspektive-kommunismus.org (gesichert: 22.12.20)

Bereits seit einigen Jahren ist die AL-M in das Bündnis Perspektive Kommunismus (PK) eingebunden. Diesem 2014 gegründeten, überregionalen Bündnis gehören noch weitere Gruppierungen aus Baden-Württemberg und Hamburg an. PK zielt darauf ab, sich zu einer „bundesweiten, aktionsorientierten und revolutionären, kommunistischen Organisation“ zu entwickeln. Nach einer Durchsuchungsaktion am 7. September 2020 gegen den Roten Aufbau Hamburg, welcher ebenfalls der PK angehört, organisierte die AL-M in München noch am selben Abend eine Solidaritätsaktion. Unter dem Motto „Repression im ganzen Land – Unsere Antwort: Widerstand; Solidarität mit dem Roten Aufbau Hamburg!“ posierten Mitglieder der AL-M mit einem Banner und besprühten großflächig eine Mauer mit „Roter Aufbau bleibt. Kampf eurer Klassenjustiz“.

Logo der postautonomen Gruppe „antifa-nt“
© Screenshot: facebook.com/antifamuc (gesichert: 22.12.20)

Die seit 2006 bekannte Gruppe Antifa-NT vertritt einen postautonomen Antifaschismus, der darauf abzielt, die bestehende Gesellschaftsordnung durch eine klassenlose Gesellschaft zu ersetzen. Sie pflegt bundesweite Kontakte zu anderen autonomen und postautonomen Gruppierungen und trat im Herbst 2015 dem linksextremistischen „… ums Ganze!“-Bündnis bei, in dem sich gewaltorientierte linksextremistische Gruppen aus Deutschland und Österreich organisieren.

Antifa-NT nutzt die Räumlichkeiten des Kafe Marat, das Teil eines selbstverwalteten Kulturzentrums ist. Das Kafe Marat dient Linksextremisten, insbesondere Autonomen, als Treffpunkt, logistisches Zentrum und Informationsbörse. Daneben nutzen auch andere nicht-extremistische kulturelle und gesellschaftliche Gruppen das Kafe Marat für Treffen und Veranstaltungen.

Die Antifa-NT ist an der bundesweiten Protest-Mitmachkampagne „Nationalismus ist keine Alternative“ (NIKA) beteiligt. Die Kampagne entstand im Nachgang eines bundesweiten Treffens autonomer Gruppen in Frankfurt am Main im Januar 2016. In der Folgezeit gründeten sich NIKA-Ableger in mehreren Bundesländern. In Bayern wurde die Kampagne im Mai 2018 in Nürnberg ausgerufen. NIKA ist eine linksextremistische Kampagne gegen einen angeblichen Rechtsruck in der Gesellschaft. Mit NIKA will sich die linksextremistische Szene stärker vernetzen und organisieren. Ferner sollen über das eigene Kernspektrum hinaus junge Leute angesprochen und politisiert werden. An der Kampagne sind neben der Antifa-NT auch andere linksextremistische Gruppierungen beteiligt, darunter die ADS, Infogruppe Rosenheim und Contre la Tristesse.

Anlässlich der Internationalen Automobil-Ausstellung „IAA Mobility 2021“ (IAA) in München engagierte sich „Antifa NT“ im lokalen Bündnis „NO FUTURE FOR IAA – No Future for ca(r)pitalism“ (No Future) und rief zur Teilnahme an den „No IAA-Protesten“ auf. Unter dem Hashtag „#BlockIAA“ warb „Antifa-NT“insbesondere für Aktionen des „No Future“-Bündnisses. Dieses Bündnis war während des Protestgeschehens rund um die IAA maßgeblich an einer Hausbesetzung in der Münchner Karlstraße, an vereinzelten Baumbesetzungen und dem Zünden von Rauchfackeln beteiligt.

 

nach oben
Graffiti Symbol Anarchie A
© BIGE

Anarchismus ist eine Sammelbezeichnung für politische Auffassungen und Bestrebungen, die auf die Abschaffung jeglicher Herrschaft von Menschen über Menschen abzielen. Allen anarchistischen Strömungen ist die Forderung gemein, den Staat als Herrschaftsinstitution abschaffen zu wollen – und zwar unabhängig von einer demokratischen oder diktatorischen Ausrichtung. Häufig schließt eine solche Auffassung einen grundsätzlichen Antiinstitutionalismus ein. Anarchisten sehen Bürokratien, Kirchen, Parteien, Parlamente und Vereine als Einrichtungen, die einem freiwilligen Zusammenschluss von emanzipierten und mündigen Menschen entgegenstehen.

Anarchisten lehnen Hierarchien und Unterordnung grundsätzlich ab. Deshalb können sie sich auch selbst in der Regel nur schlecht organisieren und bilden lediglich lose strukturierte Gruppierungen. Anarchisten bevorzugen stattdessen „Spontis“, spontane Aktionen kleinerer Gruppen oder Einzelpersonen, die aus Streiks, Besetzungen, aber auch aus gezielten Anschlägen auf den politischen Gegner bestehen können. Gewalt als Mittel der Revolution ist auch im Anarchismus ein viel diskutiertes Thema, wird jedoch von der Mehrzahl der Aktivisten zumindest als legitimes Mittel akzeptiert.

Wie eine Gesellschaft „nach“ der Revolution aussehen kann, ist auch in der anarchistischen Szene umstritten. Der anarchistische Idealzustand, eine Gesellschaft auf Basis von Selbstverwaltung und freien Übereinkünften, führt in letzter Konsequenz jedoch unweigerlich in ein System von Gewalt- und Willkürherrschaft, in dem der Starke sich gegen den Schwachen durchsetzt und sich schlussendlich über diesen erhebt.

Logo der „Anarchistischen Bibliothek Frevel“
© Screenshot: frevel.noblogs.org (gesichert: 22.12.20)

In München besteht seit 2016 eine Gruppe von Anarchisten, die durch publizistische Aktivitäten und das Betreiben einer Bibliothek die anarchistische Ideologie verbreiten wollen. Sie eröffneten im Sommer 2016 in München die Anarchistische Bibliothek Frevel. Die Bibliothek will den „Zugang zu den Gedanken und Kämpfen anderer Revoltierender“ ermöglichen.

Die anarchistische Gruppe billigt Straf- und Gewalttaten als Mittel zur Zerstörung der bestehenden Ordnung. So lag in ihrer Bibliothek die anarchistische Straßenzeitung „Fernweh“ aus, die linksextremistische Straftaten positiv bewertet. Die im Mai 2020 erschienene 33. Ausgabe war die bislang letzte. Seit Frühjahr 2020 wird auch der Internetauftritt der Bibliothek nicht mehr gepflegt. Das „aktuelle Programm“ liege, laut Webseite, zum Mitnehmen an der Bibliothek aus.

Logo der „Auf der Suche“
© Screenshot: http://aufdersuche.blogsport.de (gesichert: 22.12.20)

Die 2014 gegründete Gruppe ADS versteht sich als eine anarchistische Gruppierung. Die Nürnberger Organisation ist Mitglied der „Föderation deutschsprachiger Anarchist_innen“. Das Feindbild aller, im Detail unterschiedlich ausgerichteter, anarchistischer Strömungen ist der Staat. Er gilt im anarchistischen Denken als repressive Zwangsinstanz, die zugunsten einer herrschaftsfreien Gesellschaft aufgelöst und zerschlagen werden müsse. ADS lehnt aus dieser Ideologie heraus fundamentale Prinzipien der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, insbesondere Parlamentarismus und Volkssouveränität sowie das Mehrparteienprinzip ab:

„Stellvertreter*innenmodelle und die Bildung von Parteien – wie in ausbeuterischen Wirtschaftssystemen und im Parlamentarismus üblich – lehnen wir ab, da diese im Widerspruch zu unseren Vorstellungen einer herrschaftsfreien Gesellschaft stehen. (…) Wir streben keine Übernahme, sondern die Abschaffung der politischen Herrschaft an.“

Am 30. Januar 2021 nahmen Mitglieder von AdS an einer Versammlung in Nürnberg teil. Hintergrund war der Berufungsprozess gegen zwei Linksextremisten vor dem LG Nürnberg-Fürth am 2. Februar. Bei den Angeklagten handelte es sich um zwei Rädelsführer der Auseinandersetzungen rund um den Nürnberger Jamnitzerplatz, bei denen im Sommer 2019 Polizeikräfte bedroht wurden. An der Versammlung nahmen circa 220 Personen teil. Darunter befanden sich auch Angehörige und Sympathisanten der linksextremistischen Gruppierungen „Organisierte Autonomie“ (OA), „Prolos“, „Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend“ (SDAJ) und die „Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands“ (MLPD). AdS engagiert sich hauptsächlich im Nürnberger Szenetreff „Projekt 31“. Hier organisiert die Gruppe regelmäßig Veranstaltungen zu den Themen Anarchismus und Selbstverwaltung.

Der Mietvertrag für den Szenetreff lief Anfang 2021 aus, die Räumlichkeiten wurden aber zunächst weitergenutzt. Gegen eine Räumungsklage demonstrierten am 8. Oktober 2021 mehrere Hundert linksextremistische Szeneangehörige unter dem Motto
„Kultur braucht Freiräume – Projekt 31 erhalten 2.0“.

nach oben