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Parteiungebundene Strukturen

In diese Kategorie fallen alle Gruppen und Organisationen, welche einen gewissen Bindungs- und Organisationsgrad erkennen lassen. Hierunter zählen organisierte neonazistische Gruppierungen, kommunale Wählervereinigungen, Verlage und Vertriebsdienste, Bürgerinitiativen, Vereine, kameradschaftsähnliche Stammtischrunden und Gesprächszirkel.

Bürgerinitiativen sind rechtsextremistische Wahlvereinigungen bzw. Sammlungsbewegungen auf kommunaler Ebene. Durch die Bezeichnung als „Bürgerinitiative“ wollen sich Rechtsextremisten als bürgernahe und wählbare politische Alternative präsentieren. Die Bürgerinitiativen Ausländerstopp (BIA) in München, Nürnberg und Augsburg sind als Tarnlisten der NPD anzusehen.

Die „Bürgerinitiative A e. V.“ (BIA-Nürnberg) und die „Bürgerinitiative Ausländerstopp
München“ (BIA-München) entfalteten im Jahr 2022 keine Aktivitäten.

Logo Bürgerinitiative A e. V. (BIA-Nürnberg)
© Screenshot: bia-nuernberg.de (gesichert: 22.12.20)

Die 2001 gegründete „Bürgerinitiative Ausländerstopp Nürnberg", die derzeit etwa 30 Personen umfasst, hatte sich im Jahr 2015 in „Bürgerinitiative A (BIA) e. V." umbenannt, um die rechtsextremistische Prägung der BIA-Nürnberg stärker zu verschleiern. Die BIA-Nürnberg war seit 2002 im Nürnberger Stadtrat durch Ralf Ollert vertreten. Nach der Kommunalwahl in Bayern 2014 zog mit Fridrich Luft ein weiterer BIA-Stadtrat ins Nürnberger Stadtparlament ein. Ihre Aktivitäten konzentrierten sich vor dem Hintergrund der Flüchtlingsthematik vorrangig auf das Themenfeld Anti-Asyl. Nach den Kommunalwahlen in Bayern 2020 und einem Ergebnis von lediglich 0,5 Prozent der Stimmen verloren beide ehrenamtliche Stadträte ihr Mandat. Luft trat 2020 zudem als Oberbürgermeister-Kandidat an, er erhielt lediglich 0,5 Prozent der Stimmen. 

Bei der BIA-Nürnberg handelt es sich in erster Linie um eine aktive, rechtsextremistische Tarnorganisation der NPD. Am 26. September 2019 empfahl der Nürnberger NPD-Kreisverband bei der Kommunalwahl 2020, die „Nürnberger Heimatliste“ der BIA zu wählen. Unter den Stadtratskandidaten der BIA befinden sich Personen, die als NPD-Aktivisten beziehungsweise mit NPD-Funktionärseigenschaft bekannt wurden.

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Logo BIA München
© Screenshot: auslaenderstop-muenchen.de (gesichert: 22.12.20)

Die NPD-Tarnliste BIA-München war von 2008 bis 2020 durch ihren Vorsitzenden Karl Richter im Stadtrat vertreten. Bei den Kommunalwahlen in Bayern 2020 wollte BIA-München mit Heinz Meyer einen eigenen Oberbürgermeisterkandidaten ins Rennen schicken, der Münchener Wahlausschuss verhinderte jedoch eine Kandidatur des Vorsitzenden von PEGIDA-München. Die Stadtratsliste der BIA erreichte bei den Wahlen ein Ergebnis von lediglich 0,2 Prozent, Richter schied damit aus dem Stadtrat aus.

Von 2014 bis 2019 war Richter Parlamentarischer Referent des NPD-Abgeordneten im Europäschen Parlament, Udo Voigt. Bis zu seinem Rücktritt im Oktober 2014 war er auch Landesvorsitzender der bayerischen NPD. Über die Stadtratsarbeit der BIA-München wurde regelmäßig in Presseerklärungen und auf der Website berichtet; hier steht die Agitation gegen Flüchtlinge im Mittelpunkt.

So spricht die BIA von einem „Bevölkerungsaustausch“ und nutzte den von der NPD verwendeten Slogan „Migration tötet!“. Zum Jahrestag des Stauffenberg-Attentats auf Adolf Hitler am 20. Juli 2019 veröffentlichte Karl Richter zudem einen Beitrag auf Facebook, in dem seine verfassungsfeindliche Haltung offen zu Tage tritt und in dem er Umsturzphantasien artikuliert:

„Ein Regime, das sich auf einen so schier unfassbaren Berg von Lügen, vergangenem und täglich neu begangenem Unrecht gründet wie die Staatsattrappe Bundesrepublik Deutschland – ein solches Regime KANN nur zur Hölle fahren. Und wenn es demnächst so weit ist und meine Hand gebraucht wird, um ihm beim hochverdienten Sturz in den Abgrund zu helfen, dann reiche ich sie liebend gerne.“

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Logo IBD
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Die ursprünglich aus Frankreich stammende und inzwischen europaweit agierende Identitäre Bewegung (IB) ist ein rechtsextremistischer Personenzusammenschluss, der eine mitunter subtile, auf den gesamtgesellschaftlichen Diskurs abzielende Beeinflussungsstrategie verfolgt. Die Identitäre Bewegung Deutschland (IBD) hat seit Anfang 2015 in Bayern zunehmend öffentliche Aktivitäten entfaltet, während sie zuvor vornehmlich im Internet und in sozialen Medien auftrat. Seit Anfang 2016 ist die IBD in Bayern Beobachtungsobjekt des Bayerischen Landesamts für  Verfassungsschutz.

 

 

Ideologisch sieht sich die IBD in der Tradition der sogenannten „konservativen Revolution“. Damit beruft sie sich auf eine antidemokratische, antiliberale und antiegalitäre Strömung der Weimarer Zeit. Die IBD versteht sich als Ableger der französischen Génération identitaire (GI). Bei der GI handelt es sich um die Jugendorganisation des Bloc identitaire, der die Nachfolge der aufgrund rassistischer und gewalttätiger Aktivitäten im Jahr 2002 verbotenen Gruppierung Unité radicale darstellt und von den französischen Behörden als rechtsextremistisch bewertet wird.

Die IBD betrachtet sich ferner als Bestandteil einer europaweiten Bewegung. Ihr Ziel ist es, die europäische Jugend im Kampf für die ihrer Meinung nach bedrohte kulturelle Identität zu vereinen. Die IBD ist überzeugt davon, dass ein „Volk“ eine „ethnokulturelle Identität“ habe, die sich durch jeweils eine gemeinsame Sprache, „Kultur“, „Herkunft“ und Religion auszeichne. Das Volk sei zudem an einen bestimmten geografischen Raum gebunden. Jeder Mensch wird als Teil eines einzigen Volkes gesehen.

Ihre vornehmliche Aufgabe sieht die IBD in der Verteidigung und Bewahrung von „Heimat, Freiheit, Tradition“. An erster Stelle stehe hierbei der Erhalt der „ethnokulturellen Identität“, die durch einen befürchteten „demografischen Kollaps“ sowie durch angebliche „Massenzuwanderung“ und „Islamisierung“ bedroht sei. In Anlehnung an den Franzosen Alain de Benoist wird unter einer „ethnokulturellen Identität“ eine ethnische, religiöse und kulturelle Prägung von Gemeinschaften und ganzen Völkern verstanden, durch die allein sich die Identität des Einzelnen definiere. Die IBD propagiert deshalb einen europäischen Ethnopluralismus, d. h. die räumliche und kulturelle Trennung unterschiedlicher Ethnien. Dies hätte letztlich die Ausweisung großer Bevölkerungsteile unter Missachtung der vom Grundgesetz garantierten Menschenrechte zur Folge. Die ethnopluralistische Vorstellung von an bestimmte Territorien gebundenen Völkern entspricht der rechtsextremistischen „Blut und Boden“-Ideologie, wobei der Begriff der „Rasse“ durch den Begriff „ethnokulturelle Identität“ ersetzt wird.

Wie sich die IB strategisch und ideologisch aufstellt, zeigten Schulungsunterlagen der IB Schwaben sowie der Sommeruniversität der französischen GI. Hinsichtlich der schwäbischen Unterlagen sind vor allem die angestrebten Vernetzungsstrategien auffällig. So wird in den Zielsetzungen für die schwäbischen Ortsgruppen gefordert, sich mit der Partei Alternative für Deutschland, deren Jugendorganisationen, Burschenschaften, patriotischen Gruppen, der Initiative „Ein Prozent“ und anderen IB-Gruppen zu vernetzen. Die französischen Unterlagen stammen von der Sommeruniversität 2015 und beinhalten Schulungen zur Öffentlichkeitsarbeit, Aktivismus, Rhetorik, Umgang mit Behörden und Metapolitik. Insgesamt ist erkennbar, dass die IB primär darauf abzielt, den öffentlichen politischen und gesellschaftlichen Diskurs zu beeinflussen. Dabei will sie den „Kampf um die Deutung der Tatsachen“ für sich entscheiden.

Am 3. März 2021 billigte die französische Regierung das Verbot der „Génération Identitaire“ (GI) und veröffentlichte im Anschluss ein entsprechendes Dekret. Die Nachricht vom Verbot wurde auch im deutschsprachigen Raum unter anderem von Martin Sellner, dem führenden Aktivisten der IB im deutschsprachigen Raum, auf dessen Telegram-Kanal unter dem Titel „Repression die Dritte: IB Frankreich aufgelöst“ geteilt. GI und IBD sind voneinander unabhängige Organisationen, die allerdings über persönliche Kontakte, gemeinsame Aktionen sowie die ideologische Übereinstimmung miteinander verbunden sind. Die „Identitäre Bewegung Schwaben“ teilte einen Telegram-Beitrag der IBD mit dem Titel „Wir bleiben standhaft!“ vom 3. März 2021. In diesem wird das Verbot als Teil einer „Repressionswelle“ und eines „sanften Totalitarismus“ dargestellt, der jegliche Oppositionsarbeit verhindern würde. Anlass für die Entscheidung für ihre Auflösung war eine Aktion der GI unter dem Motto „Defend Europe“ an der französischen Grenze zu Spanien am 19. Januar 2021 mit dem Titel „Mission Pyrénées“. Der GI zufolge war es Ziel der Aktion – wie schon bei der Aktion „Mission Alpes“ im Jahr 2018 an einem Alpenpass an der Grenze zu Italien – gezielt illegal Einreisende am Grenzübertritt nach Frankreich zu hindern. Das Auflösungsdekret legt dar, dass die GI eine militärisch geprägte Organisation mit Milizen Charakter sei. Die Auflösung erfolge wegen der Anstachelung zu Diskriminierung, Hass und Gewalt aufgrund von Herkunft, Rasse oder Religion. Auch die kriegerische Symbolik und Rhetorik der GI erlaube die Gleichstellung mit einer paramilitärischen Organisation. Als Beispiel wird das Lambda-Zeichen im Logo der GI genannt, das Emblem der spartanischen Krieger. Auch sollen GI-Angehörige sowohl bei der Aktion „Mission Alpes“ als auch bei „Mission Pyrénées“ uniformiert Grenzpatrouillen mithilfe von Drohnen und Hubschraubern durchgeführt haben.

In Österreich wurde das „Lambda-Symbol“ der IB, ebenso wie auch islamistische und linksextremistische Erkennungszeichen, durch das am 28. Juli 2021 in Kraft getretene Symbole-Gesetz verboten. Die „IB Österreich“ demonstrierte am 31. Juli 2021 in Wien gegen das Gesetz. Angemeldet wurde die Demonstration durch Martin Sellner, Führungsperson der „IB Österreich“ und zentraler Aktivist der IB im deutschsprachigen Raum. Die „IB Österreich“ selbst ist als Organisation – anders als die „Génération Identitaire“ in Frankreich – weiterhin nicht verboten. In Reaktion auf die Verbote verschleiert die IB zunehmend ihre Beteiligung an Aktionen, indem sie insbesondere auf die Verwendung des Lambda-Symbols als Erkennungszeichen bewusst verzichtet. IB-Angehörige nutzen hierzu auch Internetpräsenzen, bei denen auf den ersten Blick nicht ersichtlich ist, dass diese der IB zuzurechnen sind. Diese Vorgehensweise birgt mitunter die Gefahr, dass User die rechtsextremistische Ideologie der IB, die hinter entsprechend inszenierten Aktionen steht, nicht erkennen.

Ihre extremistische Ideologie, die geprägt ist von einer migrantenfeindlichen Grundhaltung sowie antiliberalen und antiegalitären Positionen, ummantelt die IBD mit jugendaffinen Auftritten und einer vermeintlich gemäßigten und in breitere Bevölkerungsschichten hinein anschlussfähigen Sprache. Ihre Strategie, gesellschaftliche Diskurse zu beeinflussen und zu manipulieren, bezeichnet sie als „Metapolitik“. Dabei bezieht sie sich konzeptionell unmittelbar auf das Ideenarsenal der sog. „Neuen Rechten“.

Ihre auf ethnisch, völkisch-abstammungsmäßigen Kriterien fußenden einwanderungskritischen und islamfeindlichen Positionen versucht die IBD unter Anwendung einer politisch möglichst unverfänglichen Sprache zu vermitteln. Ihr Ziel ist es, herkömmliche negative Assoziationen und gesellschaftliche Abwehrreflexe gegenüber rechtsextremistischen Ideen und Parolen zu überwinden. Durch neue Begriffs- und Theoriekonstrukte sollen diskursive Hintertüren geöffnet, Sagbarkeitsfelder erweitert und somit eine neue Akzeptanz gegenüber extremistischen Werten und Vorstellungen geschaffen werden. Statt dumpfen Parolen wie „Ausländer raus“ fordern die IBD-Aktivisten daher „Remigration“ und „klare Umkehrungsmaßnahmen der Migrationsströme“. Statt „Deutschland den Deutschen“ zu skandieren, skizzieren sie das Ideal einer Staats- und Gesellschaftsordnung unter der Prämisse der ethnischen und kulturellen Homogenität. Anstelle des neonazistisch konnotierten Konzepts des „Volkstods“ beschwören sie die Gefahren des „Großen Austauschs“. Vorwürfen, sie würden Rassismus, völkisches und anti-demokratisches Gedankengut predigen, widersprechen sie scharf und begegnen diesen, indem sie ihre Ideologie und Kampagnen mit euphemistischen Formeln wie „Ethnopluralismus“ oder dem Kampf für eine „echte, direkte Demokratie“ etikettieren.

Erkennungszeichen der IBD ist das Lambda, der elfte Buchstabe des griechischen Alphabets, in einem Kreis. Das Symbol war im antiken Griechenland das Erkennungsmerkmal der Spartaner, die im 5. Jahrhundert vor Christus gegen die Invasion eines übermächtigen persischen Heeres kämpften. Der daraus entstammende Opfermythos der Spartaner entspricht der Selbstwahrnehmung der IB, die sich als die Letzten sehen, die die „ethnokulturelle europäische Identität“ vor ihrem Untergang durch „Überfremdung“ und „Islamisierung“ retten können.

Die IBD verfügt bundesweit über rund 600 Mitglieder. Bundesvorsitzender ist seit Januar 2020 Philip Thaler. Ihren Sitz hat die Gruppierung in Paderborn.

Die IBD gliedert sich in Bayern nicht nach Regierungsbezirken, sondern nach „Volksgrenzen“. Es existieren die drei Gruppierungen IB Bayern, IB Schwaben und IB Franken. Alle drei Ableger wurden auch im Jahr 2019 in Bayern aktiv. Ihnen werden in Bayern rund 80 Personen zugerechnet. Die IB Bayern umfasst Altbayern, die IB Schwaben schließt neben Bayerisch-Schwaben auch Teile von Baden-Württemberg mit ein. Die IB Franken ist in den drei fränkischen Regierungsbezirken aktiv. Neben mehreren politischen Aktionen organisierte die IBD in Bayern auch Freizeitaktivitäten für ihre Anhänger.

Mittlerweile löst sich die hierarchische Struktur der IB in Bayern infolge des Strategiewechsels zunehmend zugunsten augenscheinlich autonomer Regional- und Ortsgruppen auf. Diese Kleingruppen sollen die IB langfristig flexibler machen und vorstaatlichen Maßnahmen, aber auch vor sogenannten „Outing Aktionen“, insbesondere durch den politischen Gegner, schützen.

 

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Nach einem Rückgang in den letzten beiden Jahren nahm die Zahl öffentlicher Aktionen in Bayern in 2022 wieder zu. Gleichzeitig bleibt das Aktivitätsniveau der IB nach wie vor eher niedrig. Die festgestellten Aktionen folgen dem beschriebenen Strategiewechsel, was sich insbesondere am Beispiel der Münchner Ortsgruppen „Isar Legion“ und „Lederhosen Revolte“ zeigt. Am 24. Januar 2022 entrollten etwa 20 Aktivisten der „Isar Legion“ am Münchner Friedensengel ein Banner mit der Aufschrift „Remigration statt Repression – Sichere Grenzen statt Corona-Tyrannei“ und zündeten Rauchfeuer. Im Anschluss postete die Gruppierung die Aktion auf dem gruppeneigenen Instagram-Account. Zusätzlich wurde das dort veröffentlichte Bild- und Videomaterial über zahlreiche weitere Internetauftritte mit Bezug zur IB weiterverbreitet, z.B. über die von Sellner beworbene Webseite „Aktionsmelder“. Daneben führte auch die „Lederhosen Revolte“ zwei Banneraktionen in München durch. Um mehr Aufmerksamkeit zu erlangen, fanden diese während des Christopher Street Days (CSD) sowie während des Oktoberfestes statt.

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Auch im Norden Bayerns wurde die IB wieder aktiv. Im September führte sie nahe des Ansbacher Hauptbahnhofes eine Banneraktion auf dem Dach eines Parkhauses durch. Dabei hielten vier vermummte Aktivisten ein Banner mit der Aufschrift „...und täglich grüßt der EINZELFALL“ und der Abbildung eines Murmeltiers mit einem blutigen Messer im Maul über die Brüstung des Parkhausdaches und warfen Flyer hinab. Im Nachgang wurde die Aktion mit einem Foto und einem entsprechenden Textbeitrag auf dem Instagram-Kanal „bollwerk.franken“ veröffentlicht. Die Aktion nimmt Bezug auf die Tat eines afghanischen Asylbewerbers, der am 9. September 2022 am Ansbacher Hauptbahnhof mehrere Passanten mit einem Messer attackiert hatte. In diesem Zusammenhang kritisierte die Gruppierung auch die öffentliche Berichterstattung über die Tat und forderte in einem für die IB typischen Duktus „Festung Europa – macht die Grenzen dicht!“. In der Oberpfalz wird die Gruppierung „Oberpfalz Revolte“ der IB zugerechnet. Auch hier führten Aktivisten eine Banneraktion am Rande des dortigen CSD durch und nahmen an mehreren Protestveranstaltungen teil.

Die IBD versucht, sich mit aufmerksamkeits- und eventorientierten Formaten möglichst medienwirksam zu profilieren und Klicks und Reichweiten in den sozialen Netzwerken zu generieren, um dadurch gesellschaftliche Debatten und Meinungsbildungsprozesse zu beeinflussen.

Wesentliches Element aller IBD-Aktionen ist die mediale Nachbereitung im Internet. Die IBD bedient dort mehrere Kanäle. Neben Homepages und Blogs existieren Social-Media-Kanäle auf VK.com, Twitter und Youtube. Die IBD präsentiert sich dort mediengerecht und jugendspezifisch, auch unter Verwendung popkultureller Elemente. Sie möchte das Bild einer modernen, europaweiten Jugendbewegung erzeugen, die das Sprachrohr einer vermeintlichen Schicksalsgemeinschaft junger Menschen in Europa ist, die sich der angeblichen „Islamisierung“ Europas entgegenstellt.

Aufgrund ihrer medienaffinen Präsentation gelingt es der IBD, deutlich größere öffentliche Aufmerksamkeit zu erhalten als andere rechtsextremistische Gruppierungen in Bayern. Dabei profitiert sie auch davon, dass sie mit Begrifflichkeiten arbeitet, die nicht aus dem typischen Begriffsrepertoire der rechtsextremistischen Szene stammen. Diese medialen „Erfolge“ der IBD lösen Neid aus in klassischen rechtsextremistischen Strukturen und haben zweierlei Reaktionen zur Folge: Einerseits ist eine klare ideologische Abgrenzung neonazistischer Strukturen gegenüber der IBD feststellbar, andererseits versucht man, Anleihen bei der IBD zu nehmen.

Am 11. Juli 2020 sperrte beziehungsweise löschte Twitter mehrere Konten von Aktivisten und Gliederungen der IB, darunter auch die Konten der drei bayerischen Gliederungen der IB. Am 14. Juli 2020 löschte zudem YouTube die Kanäle des zentralen Aktivisten der IB im deutschsprachigen Raum Martin Sellner. Dieser hatte zuletzt auf seinem Hauptkanal „Martin Sellner“ über 140.000 Abonnenten. Die YouTube-Kanäle der IB Deutschland und der bayerischen Untergliederungen waren nicht von den Löschun-gen betroffen. Um möglichen neuen Sperrungen begegnen zu können, propagieren die IB und vor allem Martin Sellner zuneh-mend den Messaging-Dienst Telegram als Alternative zu Twitter. Am 11. Juli 2020 veröffentlichte die IB Deutschland auf ihrem Telegram-Kanal eine Zusammenstellung aller Telegram-Kanäle ihrer Untergruppierungen, um Sympathisanten und Interessenten den Zugang zu erleichtern. In Reaktion auf die Sperrungen führte die IB im Rahmen einer „Sommertour“ an verschiedenen Standorten in Bayern ab dem 25. Juli 2020 Infostände durch, um den Verlust der virtuellen Reichweite teilweise zu kompensieren.

Aufgrund der Corona-Pandemie ließ sich eine verstärkte Nutzung des Internets durch die rechtsextremistische Szene feststellen. Dabei werden u.a. Verschwörungstheorien zum Ursprung des neuartigen Corona-Virus verbreitet oder es wird gegen Asylsuchende gehetzt, welche für die Verbreitung des Virus verantwortlich gemacht werden. Insbesondere über den Messenger-Dienst Telegram verbreiten Angehörige der rechts- extremistischen Szene unter Bezugnahme auf die Corona-Pandemie verfassungsfeindliche Inhalte.

Am 26. März 2021 wurde über den Twitter-Account „Laut Gedacht“ mitgeteilt, dass der gleichnamige YouTube-Kanal wegen Verstoßes gegen die Community-Richtlinien gelöscht wurde. Bis zur Löschung wurden hier circa 200 Folgen veröffentlicht. Die
Moderatoren sind führende Aktivisten der „Identitären Bewegung Deutschland“ (IBD) aus Sachsen und Sachsen-Anhalt. In der Ausgabe 212, welche am 30. September 2021 veröffentlicht wurde, gaben die Moderatoren die Einstellung des Formats bekannt.

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Ein Logo der verbotenen Organisation B&H
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Die neonazistische Skinhead-Bewegung Blood & Honour (B&H) ist ein ursprünglich aus England stammendes, mittlerweile international agierendes, rechtsextremistisches Netzwerk. Seit seiner Gründung Ende der 1980er Jahre verbreitet es nationalsozialistisches und rassistisches Gedankengut durch die Veranstaltung von Skinhead-Konzerten und den Vertrieb u. a. von rechtsextremistischer Musik und Szenekleidung. Die Organisationsbezeichnung „Blood and Honour“ ist der in die englische Sprache übersetzte Leitspruch „Blut und Ehre“, der von der nationalsozialistischen Jugendorganisation „Hitlerjugend“ verwandt wurde.

In den 1990er Jahren stellte B&H die bedeutendste und aktivste internationale Organisation innerhalb der Skinheadszene dar. In Deutschland existierte ab 1994 eine eigene „Division“. Sie war gegen Ende der 1990er-Jahre einer der wichtigsten Veranstalter rechtsextremistischer Skinhead-Konzerte, gab ein gleichnamiges Magazin heraus und betrieb zeitweilig ein eigenes Produktionslabel für rechtsextremistische Tonträger.

Im Jahr 2000 bestand die Organisation bundesweit aus 15 regionalen Untergliederungen, sogenannte „Sektionen“, und besaß eine Gesamtstärke von rund 200 Mitgliedern. In Bayern unterteilte sich die B&H-Bewegung in die „Sektionen“ Franken und Bayern, die ihre jeweiligen Sitze in den Regionen Amberg und Bamberg hatten und zusammen etwa 20 Mitglieder umfassten.

Im September 2000 verbot der Bundesminister des Innern B&H mitsamt ihrer Jugendorganisation „White Youth“ nach dem Vereinsgesetz, da die Gruppierung sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung und den Gedanken der Völkerverständigung richtete. Seit dem 16. Juni 2001 ist das Verbot bestandskräftig. In den Jahren nach dem Verbot wurden Nachfolgeaktivitäten früherer Mitglieder der Organisation durch konsequente Strafverfolgungsmaßnahmen unterbunden. Nach 2006 waren zunächst nur vereinzelt Verdachtsmomente bekannt geworden, die auf Nachfolgebestrebungen der Organisation im Bundesgebiet hindeuteten.

Die Generalstaatsanwaltschaft München, Bayerische Zentralstelle zur Bekämpfung von Extremismus und Terrorismus, führt ein Ermittlungsverfahren gegen zwölf Beschuldigte in fünf Bundesländern wegen des Verdachts einer Straftat nach § 85 StGB (Verstoß gegen ein Vereinigungsverbot). Den Beschuldigten wird zur Last gelegt, die seit September 2000 verbotene Organisation BIood & Honour Division Deutschland mit Sektionen in Bayern, Baden-Württemberg, Thüringen und Mitteldeutschland fortzuführen und eine engmaschige Vertriebsstruktur für Szenezubehör und Rechtsrockmusik aufgebaut zu haben. Dabei sollen vor allem Musik-CDs mit verbotenem Rechtsrockliedgut und Merchandisingartikel mit verbotenen rechtsradikalen Symbolen nach Deutschland eingeführt und hier vertrieben worden sein. Am 12. Dezember 2018 wurden im Rahmen des Verfahrens an insgesamt 15 Objekten Durchsuchungsbeschlüsse vollzogen. Acht Durchsuchungsobjekte befanden sich in Bayern, zwei in Baden-Württemberg, drei in Thüringen und je ein Objekt in Hessen und in Sachsen-Anhalt. Ziel der Maßnahmen war das Auffinden von Beweismitteln zur Mitgliederstruktur der verbotenen Organisation sowie die Aufklärung der Produktion und des Vertriebs des verbotenen Rechtsrockliedguts. Es konnten neben zahlreichem rechtsextremistischem Propagandamaterial auch Tonträger mit B&H-Bezug festgestellt werden sowie ein Dolch mit Hakenkreuz, Schlagstöcke und Schlagringe.

Das Landgericht München verurteilte am 3. August 2022 neun Männer zu Geldstrafen und Haftstrafen auf Bewährung, u. a. wegen Verstoß gegen das Vereinigungsverbot, Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen und Volksverhetzung. Den Beschuldigten wurde vorgeworfen als Funktionäre und Mitglieder das verbotene Netzwerk „Blood & Honour Division Deutschland“ (B&H Deutschland) fortgeführt zu haben. Im August wurden die Urteile gegen 8 der 9 Verurteilten rechtskräftig.

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Die 1988 in den USA gegründeten HS propagieren ein rassistisches und zum Teil nationalsozialistisches Weltbild und sehen sich als Elite der rechtsextremistischen Skinheads. Weltweit in die Schlagzeilen gerieten die HS, als der 40-jährige Wade Michael Page am 5. August 2012 in Oak Creek (Wisconsin) in einem Sikh-Tempel sechs Menschen niederschoss und anschließend selbst von einem Polizisten getötet wurde. Wade Michael Page war Anhänger der US-amerikanischen Hammerskin-Bewegung. Struktur und Aufnahmeverfahren der Hammerskins ähneln dem Rockerclub Hells Angels MC.

So sind die HS in vielen Ländern mit „Divisionen“ vertreten. Europaweit bestehen als regionale Untergliederungen rund 25 Chapter, deren Aktivitäten sich größtenteils auf die Organisation von rechtsextremistischen Konzerten und Veranstaltungen sowie die Selbstorganisation der Hammerskin-Bewegung beschränken. Der Hammerskin-Division Deutschland gehören rund zehn deutsche Chapter mit insgesamt bis zu 100 Skinheads an, darunter das Chapter Bayern und das Chapter Franken.

Diese beiden in Bayern angesiedelten „Chapter“ verhalten sich bei ihren Aktivitäten weitestgehend konspirativ. In 2022 führten die beiden „Chapter“ ausschließlich interne Veranstaltungen durch.

Das Bundesinnenministerium hat am 19. September 2023 den rechtsextremistischen Verein Hammerskins Deutschland einschließlich seiner regionalen Chapter und seiner Teilorganisation Crew 38 auf Grundlage des Vereinsgesetzes verboten.

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Logo der Skinhead-Kameradschaft „Voice of Anger“ (VoA)
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VoA wurde im Jahr 2002 in Memmingen als Skinhead-Vereinigung von überwiegend jüngeren Skinheads gegründet. Sie ist subkulturell-neonazistisch orientiert. VoA gliedert sich derzeit in die Sektionen Memmingen, Schwaben, Unterallgäu und Nomads und umfasst insgesamt etwa 60 Mitglieder und Sympathisanten. Im Mittelpunkt ihrer Aktivitäten steht die Ausrichtung von internen Veranstaltungen, um den Zusammenhalt zu fördern. Zudem organisiert die VoA die Teilnahme an Skinhead-Konzerten. Eine der Führungsfiguren, Benjamin Einsiedler, vertreibt daneben mit seinem Szeneversandhandel „Oldschool Records“ Szeneartikel und Tonträger. Mitglieder von VoA gründeten im Jahr 2010 die Skinhead-Band Kodex Frei.

VoA ist derzeit eine der wenigen noch überregional aktiven Skinhead-Kameradschaften. Entgegen der sonst rückläufigen Entwicklung der subkulturell geprägten Skinheadszene konnte VoA ihren Mitgliederstand konstant halten und stellt somit die größte Skinhead-Gruppierung in Bayern dar. Gleichwohl verzeichnete die VoA einen nur sehr geringen Zuwachs an neuen Mitgliedern. Diese müssen ein abgestuftes Aufnahmeverfahren ähnlich dem einer Rockergruppierung durchlaufen.

In der Nacht vom 24. auf den 25. April 2017 brannte eine von VoA genutzte Gaststätte in einer Kleingartenanlage in Memmingen ab und wurde weitgehend zerstört. In der Folgezeit wurde das Gebäude durch VoA wieder aufgebaut und instandgesetzt. Der NPD-Kreisverband Memmingen / Unterallgäu unterstützte die Skinheadgruppierung, indem er nach dem Brand im sozialen Netzwerk Facebook um Geldspenden für den Wiederaufbau warb. Seit Januar 2019 wird die ehemalige Gaststätte wieder als Clubhaus der Gruppierung genutzt, auch für rechtsextremistische Veranstaltungen.

In 2022 veranstaltete VoA wieder Konzerte und ließ in ihren eigenen Räumlichkeiten am 2. April und am 25. Juni 2022 rechtsextremistische Bands auftreten. Eine größere Veranstaltung fand am 1. Oktober 2022 in Memmingen statt. Bei den etwa 60 dort festgestellten Personen handelte es sich vermutlich um die Teilnehmer einer Jubiläumsfeier zum 20-jährigen Bestehen der Skinheadgruppe.

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Die Burschenschaft Danubia hat ihren Sitz in München. In der etwa zehn Personen umfassenden Aktivitas (d. h. studierende Mitglieder) der Burschenschaft engagieren sich einzelne Personen, die Beziehungen zur rechtsextremistischen Szene unterhalten oder in der Vergangenheit unterhalten haben. Bei Veranstaltungen der Aktivitas traten seit Jahren auch Referenten aus dem rechtsextremistischen Bereich auf.

Ein Mitglied der Aktivitas der Burschenschaft Danubia wirkte als Aktivist bei einer Aktion der „Identitären Bewegung“ am 29. August 2022 in Lubmin (Mecklenburg-Vorpommern) mit. Dort forderte die rechtsextremistische Gruppierung die sofortige Öffnung der Gaspipeline Nord Stream 2, welche dort endet. Bei Veranstaltungen der Aktivitas traten seit Jahren auch Referenten aus dem rechtsextremistischen Bereich auf. Nachdem sich die Aktivität 2021 – vermutlich auch wegen der Einschränkungen aufgrund der Corona-Schutzmaßnahmen – hauptsächlich auf die Veröffentlichung und Weiterleitung von Beiträgen im Internet beschränkte, fanden 2022 im Haus der Burschenschaft wieder Veranstaltungen und Vorträge statt, die auch von Rechtsextremisten besucht wurden.

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Die SPC ist eine seit dem Jahr 2016 bestehende Gruppierung. Sie wird als lose organisierte Gruppe mit einem Personenpotenzial von etwa 10 Personen dem subkulturell geprägten Rechtsextremismus zugeordnet. Die Gruppierung artikuliert Versatzstücke einer rechtsextremistischen Ideologie, verfügt aber nicht über eine fundierte ideologische Überzeugung und sieht nach ihrer Selbstdarstellung ihren Hauptzweck in szenetypischen Freizeitaktivitäten. Gruppierungen wie die SPC entwickeln eine hohe Mobilität, um rechtsextremistische Konzerte und Veranstaltungen zu besuchen.

In den letzten Jahren trat die Gruppe kaum öffentlichkeitswirksam in Erscheinung und führte vor allem interne Versammlungen durch. Aktivisten von BWO beteiligten sich auch am Protestgeschehen gegen die staatlichen Corona-Maßnahmen.

Am 20. September 2022 nahmen mehrere BWO-Anhänger an einer Protestveranstaltung zu den Themen Energie, Inflation, Corona und Ukrainekrise in Schwandorf teil, bei der auch weitere Rechtsextremisten festgestellt werden konnten.

 

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Logo KZSHS
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KZSHS ist eine dem subkulturellen Rechtsextremismus zuzurechnende Gruppierung aus dem Raum Nordbayern mit ideologischer Nähe zum Neonazismus. Aktivitäten von KZSHS konnten sowohl realweltlich als auch virtuell erstmals in 2021 festgestellt werden. Über den Messenger-Dienst Telegram verbreitet KZSHS verfassungsfeindliche Agitation. In mehreren Beiträgen verherrlicht die Gruppierung die Zeit des Nationalsozialismus und Faschismus und gedenkt in diesem Zusammenhang Horst Wessel, Rudolf Heß, Benito Mussolini oder Adolf Hitler. Ferner verbreitete sie zahlreiche Beiträge anderer rechtsextremistischer Gruppierungen, wie der NPD und des „III. Weg“. Mit ihrem Engagement unterstützt KZSHS nachdrücklich auch die von diesen Organisationen ausgehenden verfassungsfeindlichen Bestrebungen. KZSHS mobilisierte in der Vergangenheit regelmäßig für die Proteste gegen die Corona-Politik und nahm selbst an vielen Demonstrationen teil. Ziel der extremistischen Kleingruppe ist jedoch nicht der legitime Protest gegen politische Maßnahmen, vielmehr hofft die Gruppierung darauf, dass die angeblich „schlafenden Massen“ die noch nicht „durch Corona erwacht“ sind, sich dem Widerstand gegen das demokratische System anschließen.

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