Tastatur mit zwei roten Tasten. Auf den Tasten ist ein Reichsadler und ein Einkaufswagen symbolisch abgebildet.
© Lukas Blazek / Unsplash, Bearbeitung BIGE

Vertriebsstrukturen und Verlage

Vor allem die Versandhandel haben für die rechtsextremistische Szene eine doppelte Bedeutung: Zum einen können sich Rechtsextremisten über diese mit Kleidung, Musik und Szenedevotionalien versorgen, zum anderen bietet sich Aktivisten die Möglichkeit, durch Szeneaktivitäten ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Darüber hinaus sponsert etwa der in der Oberpfalz ansässige Vertrieb Ansgar Aryan laut seiner Selbstdarstellung rechtsextremistische Musiker. Szene-Verlage hingegen stellen Rechtsextremisten Bücher mit ideologischen Inhalten zu Verfügung.

Rechtsextremistische Vertriebe und Versandhandel kommerzialisieren die subkulturell geprägte rechtsextremistische Szene. Das Sortiment ist gezielt auf die Bedürfnisse der Anhänger einzelner Szene-Stilrichtungen wie der Skinhead-, der NS-Hatecore- oder der NS-Black-Metal-Subkultur ausgerichtet. Bei der Produktion und Vervielfältigung von Tonträgern spielen insbesondere die größeren Vertriebe eine wichtige Rolle.

Neben Musik umfasst die Angebotspalette auch Textilien, Fahnen, Flugblätter, Plakate und szenetypische Devotionalien wie Bücher und Aufkleber sowie zunehmend Accessoires für den Alltag wie Sonnenbrillen oder Gürteltaschen. Szeneläden sind mittlerweile die Ausnahme. Nahezu alle Händler bieten ihre Waren auf zum Teil professionell gestalteten Verkaufsplattformen im Internet an. Die Betreiber rechtsextremistischer Betriebe verfolgen insbesondere wirtschaftliche Interessen, manche unterstützen mit ihren Einnahmen auch die rechtsextremistische Szene.

Zu den Vertrieben und Versandhandeln in Bayern gehören:

  • Ansgar Aryan (Mantel/Neustadt a.d. Waldnaab)
  • DIM Records (Coburg)
  • FSN-Shop (Mantel/Neustadt a.d. Waldnaab)
  • Oldschool Records (Wolfertschwenden/Unterallgäu)
  • Patriotic Store (Mantel/Neustadt a.d. Waldnaab)
  • Wikingerversand (Geiselhöring/Straubing-Bogen)
  • White Rex Store (Mantel/Neustadt a.d. Waldnaab)
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Rechtsextremistische Verlage, Print- und Internetmedien streben die Etablierung einer rechtsextremistischen Gegenkultur an. Daher verbreiten sie revisionistische, antisemitische, antidemokratische sowie fremdenfeindliche Vorstellungen und wollen so rechtsextremistische Überzeugungen in der Leserschaft initiieren oder festigen. Dabei soll das Vertrauen in die demokratische Ordnung untergraben werden, um letztendlich ein undemokratisches, autoritäres politisches System in Deutschland populär zu machen.

© Screenshot pi-news.net (gesichert: 21.04.2022)

Der Verfassungsschutz beobachtet den Kreis der regelmäßig publizierenden Personen des Internetblogs „Politically Incorrect/PI-News“ („PI-News“). „PI-News“ ist ein seit November 2004 bestehender reichweitenstarker Internetblog, auf dem auch islamfeindliche und rechtsextremistische Agitation verbreitet wird. In Zusammenhang mit dem Protagonisten der verfassungsschutzrelevanten islamfeindlichen Szene, Michael Stürzenberger, wird „PI-News“ seit dem Jahr 2014 regelmäßig im bayerischen Verfassungsschutzbericht erwähnt. Auf „PI-News“ wurden 2022 zahlreiche fremden- und islamfeindliche Beiträge festgestellt. Ideologisch prägend für den Internetblog ist die Erzählung von einer angeblichen „Umvolkung“ und „Islamisierung“ Deutschlands.

Screenshot der Website des Anton A. Schmid Verlages mit antisemitischer Publikation
© Screenshot verlag-anton-schmid.de (gesichert: 29.04.2021)

Der Verlag Anton A. Schmid mit Sitz in Durach im Landkreis Oberallgäu vertreibt neben religiöser und verschwörungstheoretischer Literatur auch Werke mit antisemitischen, geschichtsrevisionistischen und rechtsextremistischen Inhalten. Verbreitung finden die Schriften auch über einen Online-Versand. Durch die Publikation der Bücher „Die Protokolle der Weisen von Zion erfüllt (Band 1 Teil 1 und Teil 2)“ verbreitet der Verlag nachweislich falsche Behauptungen über eine angebliche jüdische Weltverschwörung, die in dieser Form auch vom NS-Regime propagiert wurden. Im ebenfalls durch den Verlag vertriebenen Buch „Hitler beging keinen Selbstmord“ wird außerdem unterstellt, dass jüdischstämmige amerikanische Familien die Machtergreifung Hitlers aktiv herbeigeführt hätten. Dabei werden auch im Rechtsextremismus häufig genutzten antisemitischen Codes und Narrative reproduziert. Die Familie Rothschild wird für die Machtergreifung der Nationalsozialisten verantwortlich gemacht, um eine geschichtsrevisionistische Sichtweise auf das NS-Regime und den Zweiten Weltkrieg zu konstruieren, wonach Deutschland als Opfer einer von Juden vorangetriebenen Verschwörung anzusehen sei.

Logo „Compact-Magazin“
© Wikimedia Commons

Seit dem Jahreswechsel 2020 beobachtet der Verfassungsschutz die „COMPACT-Magazin GmbH" („COMPACT"). Diese betreibt den YouTube-Kanal „COMPACT-TV", gibt das „COMPACTMagazin" und verschiedene Sonderformate wie „COMPACT-Edition" und „COMPACT-Aktuell" heraus und fiihrt jährlich sogenannte „COMPACT-Konferenzen" durch. Uber die im Jahr 2010 erstmalig erschienene Monatszeitschrift „COMPACT-Magazin" werden nicht nur verschwörungstheoretische Inhalte, sondern regelmäßig auch islamfeindliche und fremdenfeindliche Motive verbreitet, die gegen die Menschenwürdegarantie des Grundgesetzes gerichtet sind.

„COMPACT" kann als ein bedeutendes Sprachrohr im Rechtsextremismus gesehen werden, welches mit zahlreichen Beobachtungsobjekten der Verfassungsschutzbehörden eng vernetzt ist und diesen eine Plattform bietet. Unter den Autoren für „COMPACT" befand sich bis mindestens Anfang 2022 auch ein bayerischer Bechtsextremist. In dem werktags veröffentlichten Streamingformat „COMPACT. Der Tag", welches aktuelle Sachverhalte aufgreift, werden in unregelmäßigen Abständen auch Meinungsbeiträge von Martin Sellner, dem führenden Aktivisten der „Identitären Bewegung" im deutschsprachigen Baum, veröffentlicht.

Während das Magazin ein breites Themenspektrum bedient, entfielen die Schwerpunkte in 2022 vor allem auf den Russland-Ukraine-Krieg und die Inflation. „COMPACT" sieht dabei nicht Russland, sondern die NATO als „Aggressor" und verbreitet prorussische Narrative. In seiner Novemberausgabe behauptet „COMPACT“, die USA und weitere „Feinde" würden seit 1914 Krieg gegen Deutschland führen und seien verantwortlich für die Auswirkungen des Russland-Ukraine-Krieges. Uberdies warb „COMPACT“ u.a. mit einer eigenen Webseite für eine „Großdemo" vor dem US-Konsulat; das erste Grußwort der Webseite lieferte der Rechtsextremist Björn Höcke. Mit seiner thematischen Schwerpunktsetzung versucht „COIVIPACT" nicht nur rechtsextremistische Zielgruppen umfänglich zu bedienen, sondern auch nicht extremistische Personenkreise, die empfänglich für etwaige, mitunter antiamerikanische Verschwörungstheorien sind, zu erreichen.

Das Medienuntemehmen mit Sitz in Brandenburg führte 2022 zivilrechtliche Auseinandersetzungen u.a. wegen Urheberrechtsverletzungen, in deren Folge mehrere Ausgaben nicht mehr verkauft werden durften. Eigenangaben zufolge betrug der Schaden für „COMPACT" alleine nach dem Prozess gegen eine deutsche Produktionsfirma mindestens 60.000 Euro. Außerdem wurde der Vertrieb der 1. Auflage der Autobiografie des rechtsextremistischen Chefredakteurs nach einem Rechtsstreit mit einem anderen deutschen Verlag ebenfalls verboten.

Logo Institut für Staatspolitik (IfS)
© Wikimedia Commons

Im Jahr 2020 wurde die Beobachtung des im sachsen-anhaltinischen Schnellroda ansässigen „Institutes für Staatspolitik“ (IfS) durch den Verfassungsschutz bekannt gegeben. Das Institut verfolgt die Strategie der sogenannten „Metapolitik“. Dahinter verbirgt sich der Versuch, den öffentlichen Diskus zu prägen und Deutungshoheit zu erlangen. Auf diese Weise versucht das Institut auf den vorpolitischen Raum einzuwirken und seine ideologischen Ziele durchzusetzen. Damit trägt das IfS zu einer gesamtgesellschaftlichen Spaltung bei und begünstigt Radikalisierungstendenzen bis hin zur Legitimierung von Gewalt. Dazu unterhält es enge Kontakte zu rechtsextremistischen Gruppierungen und dem führenden rechtsextremistischen Aktivisten der Identitären Bewegung (IB) im deutschsprachigen Raum, Martin Sellner. Überdies verabstaltet das IfS regelmäßig „Winter- und Sommerakademien“, um den Nachwuchs der „Neuen Rechten“ ideologisch zu formen und die Vernetzung zu fördern.

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Seit 2021 wird auch der „Verlag Antaios" vom Verfassungsschutz beobachtet. In vom „Verlag Antaios" verbreiteten Publikationen wird u.a. das ldeologiekonzept des „Ethnopluralismus" propagiert, dessen Idealvorstellung einer staatlichen beziehungsweise gesellschaftlichen Ordnung in einem ethnisch und kulturell homogenen Staat besteht. Zwischen dem IfS und dem „Verlag Antaios" bestehen enge personelle und organisatorische Verflechtungen.

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