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Wie Extremisten Kinder in der Corona-Krise instrumentalisieren

„Finger weg von unseren Kindern!“: Unter diesem Motto agitiert z.B. die Parteizeitung der rechtsextremistischen NPD gegen die Einführung einer Impfpflicht. Auch Angehörige anderer extremistischer Szenen zeigen sich vorgeblich um das Wohl von Kindern in der Corona-Pandemie besorgt. Tatsächlich geht es ihnen dabei aber nicht um den Schutz von Kindern, sondern um die Schaffung eines verbindenden Elements zu bislang nicht-extremistischen Segmenten der Corona-Protestszene.

Immer wieder nehmen Rechtsextremisten an Protesten gegen die staatlichen Corona-Schutzmaßnahmen teil. Dabei versuchen sie teilweise, mit großformatigen Bannern und Transparenten auf sich aufmerksam zu machen. Auf diesen thematisieren sie Impfungen von Kindern und eine angebliche Kinder-Impfpflicht. Am 22. Dezember 2021 hat der NPD-Bundesverband auf „neues Kampagnenmaterial“ der parteieigenen Zeitung „Deutsche Stimme“ hingewiesen. Auf deren Website kann unter anderem ein Protestbanner mit dem Slogan „Finger weg von unseren Kindern, Nein zur Impfpflicht“ bestellt werden.

© Screenshot: deutsche-stimme.de (gesichert: 11.03.2022)

Banner mit diesem Slogan konnten bereits bei mehreren Protestveranstaltungen in Bayern festgestellt werden. Der Hinweis auf die Website der rechtsextremistischen „Deutsche Stimme“ war dabei teilweise durch aufgebrachtes Klebeband unkenntlich gemacht. Über die Bezugnahmen auf Kinder versuchen Rechtsextremisten sich inhaltlich anschlussfähig für einen größeren Teil der „Anti-Corona-Protestszene“ zu geben. Indem der Fokus auf die Impfung von Kindern gerichtet wird, soll eine emotionale Aufladung der Diskussion über eine mögliche Impfpflicht erfolgen. Über die gemeinsame, strikte Ablehnung einer solchen Maßnahme soll ein verbindendes Element geschaffen werden, um bisher nicht mit einer extremistischen Szene verbundene Personen für rechtsextremistische Inhalte zu gewinnen.

Seit Schuljahresbeginn im September 2021 ist auch festzustellen: Gegner der staatlichen Corona-Schutzmaßnahmen versuchen, alternative Lernangebote für Kinder in teils schulähnlichen Einrichtung durchzuführen, in denen Masken- und Testpflichten nicht beachtet werden. Dabei konnten in Bayern auch alternative Schulbetriebe und die Ausbreitung von Lerngruppen mit Verbindungen zum Phänomenbereich der Reichsbürger und Selbstverwalter festgestellt werden. Angehörige dieser extremistischen Szene lehnen die Bundesrepublik als vermeintlich illegitimes Regime ab oder leugnen gar ihre Existenz. Im Sinne ihrer Ideologie versuchen sie, Kinder und Jugendliche dem vermeintlich schädlichen Einfluss offizieller Stellen zu entziehen. Die Reichsbürger-Gruppierung „Verfassunggebende Versammlung“ bietet etwa eine digitale Lernplattform mit zahlreichen Inhalten an, die als Alternative zum regulären Schulsystem angepriesen wird. Hier besteht die Gefahr, dass Menschen bereits in jungen Jahren mit extremistischen Inhalten indoktriniert werden.

Rechtsextremisten, Reichsbürger und Selbstverwalter sowie Personen, die dem Phänomenbereich Verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates zuzurechnen sind, verbreiten im Zuge ihrer Beschäftigung mit der Corona-Pandemie auch diverse Verschwörungstheorien. Dabei werden u.a. Versatzstücke der Verschwörungstheorie „QAnon“ kundgetan: Eine obskure „Elite“ aus Bankern, Politikern und Prominenten würde angeblich geheime Pädophilie-Netzwerke unterhalten, in denen Kinder gefoltert und ermordet würden. Auf diese Weise werden unliebsame politische Entscheidungsträger als korrupt, bösartig und Handlanger einer „Weltverschwörung“ diskreditiert. Durch die Bezugnahme auf Kinder findet eine starke Emotionalisierung statt, die sachlichen Widerlegungen vorbeugen soll.

Aus Sicht der Sicherheitsbehörden geht es Extremisten, die sich aktuell demonstrativ um das Wohl von Kindern besorgt zeigen, nicht um tatsächlichen Kinderschutz oder die Stärkung von Kinderrechten. Diese Themen werden vielmehr missbraucht, um extremistische Inhalte in weitere Bevölkerungskreise zu transportieren.

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