Rocker und Rechtsextremisten: Gemeinsam gegen den Staat?

Kriminelle Rocker, die sich mit demokratiefeindlichen Rechtsextremisten zusammentun – das wäre eine gefährliche Mischung. Der bayerische Verfassungsschutz beobachtet deshalb die Situation im Freistaat genau.

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Mit der von amerikanischen Strafverfolgungsbehörden eingeführten Bezeichnung Outlaw Motorcycle Gang (OMCG) werden die polizeilich bedeutsamen Rockergruppierungen von der breiten Masse der Motorradclubs abgegrenzt. Die OMCGs bezeichnen sich selbst als „1-Prozenter“. Darunter versteht man Biker (Motorradfahrer), die sich selbst als „Outlaws“ (Gesetzlose) sehen und das bestehende Rechtssystem ablehnen. Angehörige von OMCGs betätigen sich auf verschiedenen Feldern der Organisierten Kriminalität. Diese OMCGs unterliegen in Bayern dem gesetzlichen Beobachtungsauftrag des Bayerischen Landesamts für Verfassungsschutz (BayLfV). Daher beobachtet das BayLfV auch die Überschneidungen zwischen der rechtsextremistischen Szene und den OMCGs, die im Weiteren als Rocker bezeichnet werden.

Die Rockerszene ist grundsätzlich unpolitisch. Ihr Weltbild weist jedoch gewisse Überschneidungen mit rechtsextremistischen Vorstellungen auf. Rockergruppierungen streben nach lebenslangem Zusammenhalt. Von der Mehrheitsgesellschaft grenzen sie sich ab. Sie denken in klaren Hierarchien, hängen strikten Ehrvorstellungen an und pflegen eine auf die eigene Gruppe begrenzte Loyalität. Diese Einstellungen könnten von Rechtsextremisten als Anknüpfungspunkte instrumentalisiert werden.

Mit Blick auf mögliche Verbindungen zwischen Rockern und Rechtsextremisten wurde beim BayLfV bereits vor Längerem eine spezialisierte Arbeitsgruppe eingerichtet. Sie ist angesiedelt an der Schnittstelle zwischen den Fachbereichen Organisierte Kriminalität und Rechtsextremismus. Der bayerische Verfassungsschutz stellt fest: Im Freistaat existieren punktuell personelle Überschneidungen zwischen dem Rockermilieu und der rechtsextremistischen Szene. Sie gehen überwiegend auf geschäftliche Interessen oder persönliche Beziehungen zurück. Damit sind sie kein Ausdruck einer strukturierten Zusammenarbeit oder ideologischen Annäherung zwischen den beiden Szenen.

Teilweise handelt es sich bei diesen Szene-Überschneidungen um Personen, die Führungspositionen in rechtsextremistischen Parteien und Gruppierungen einnehmen: Sascha Roßmüller ist Präsident beim „Bandidos MC Bogen“ und gleichzeitig seit Dezember 2018 NPD-Landesvorsitzender in Bayern. Zudem ist der NPD-Funktionär Alfred Steinleitner aus Niederbayern neben seiner Parteizugehörigkeit auch Vize-Präsident beim „Gringos MC Wörth“, einem Supporter-Club des „Bandidos MC“.

Darüber hinaus sind dem BayLfV noch einige Personen bekannt, die einer der beobachteten Szenen angehören und über Kontakte in die jeweils andere Szene verfügen. Dabei handelt es sich sowohl um Kennverhältnisse über Szenegrenzen hinweg als auch um Personen, die aus der einen Szene in die andere abgewandert sind. Es wird in diesen Fällen weiterhin davon ausgegangen, dass persönliche Kontakte zu Angehörigen der Ursprungsszene nicht vollständig abgerissen sind und teilweise auch weiter gepflegt werden.

Bei mehreren Personen innerhalb der bayerischen Rockerszene konnten Tätowierungen festgestellt werden, die eindeutig rechtsextremistische Bezüge aufweisen. Etliche Rechtsextremisten lehnen sich hinsichtlich Erscheinungsbild und Organisationsstruktur vermehrt an die Rockerszene an. So wählen sie beispielsweise englischsprachige Gruppenbezeichnungen, tragen sogenannte Kutten (Motorradjacken, auf deren Rückenteil das Gruppenlogo aufgenäht ist) und pflegen rockerähnliche Aufnahmerituale für Neumitglieder. Auch interne Hierarchieebenen werden teils mit englischen Rocker-Begriffen benannt.

Ein Beispiel ist das Erscheinungsbild der mittlerweile aufgelösten rechtsextremistischen Gruppierung Oldschool Society (OSS). Ihre Struktur lehnte sich an die Organisation von Rockergruppen an. So bestand die Führungsebene u. a. aus einem „President“, „Vice-President“, „Secretary“ und „Sergeant at Arms“. Vier ehemalige Mitglieder der OSS wurden im März 2017 vom Oberlandesgericht München u. a. wegen Bildung einer terroristischen Vereinigung zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt. Auch die mit Abstand mitgliederstärkste Skinhead-Gruppierung in Bayern, Voice of Anger aus Schwaben, weist einzelne Ähnlichkeiten mit Rockergruppen auf. So gibt es etwa bei ihr ein Aufnahmeverfahren, das sich am sogenannten Prospect-Status der Rocker orientiert. Das potentielle Neumitglied muss sich dabei im Rahmen einer Art Anwartschaft zunächst bewähren.

Aus Sicht der Sicherheitsbehörden bestehen punktuell personelle Überschneidungen zwischen dem Rockermilieu und der rechtsextremistischen Szene in Bayern. Bestimmte Vorstellungen wie Hierarchiedenken und Gruppenkodizes werden sowohl von Rockern als auch von Rechtsextremisten geteilt. Einzelne Elemente der Rocker-Subkultur, etwa hinsichtlich Erscheinungsbild und Organisationsstruktur, finden Anklang bei Rechtsextremisten. Insgesamt ist aber keine strukturierte Zusammenarbeit oder ideologische Annäherung zwischen den beiden Szenen im Freistaat festzustellen.

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