Deradikalisierung, Aufklärung und Beratung in politisch bewegten Zeiten – Die Arbeit der Bayerischen Informationsstelle gegen Extremismus (BIGE) im Jahr 2024
„Gemeinsam gegen Extremismus!“, unter diesem Motto ist die BIGE seit 15 Jahren im Freistaat aktiv. Die Präventionsstelle der Bayerischen Staatsregierung unterstützt mit Informationsveranstaltungen und individuellen Beratungen alle, die Extremismus vorbeugen wollen oder unmittelbar mit Extremisten konfrontiert sind. Auch im Jahr 2024 war die BIGE wieder bayernweit aktiv. Zentrale Tätigkeitsfelder der BIGE sind Kommunenberatung, Schüler-Workshops, Öffentlichkeitsarbeit und Aussteigerberatung.
Nach ihrer Gründung im Jahr 2009 als zentrale Informations- und Beratungsstelle der Bayerischen Staatsregierung gegen Extremismus wurde die BIGE rasch zu einer wichtigen Ansprechpartnerin für Bürger, Städte und Gemeinden, Landesbehörden, Schulen, Verbände, Vereine sowie Unternehmen. Schwerpunkt der BIGE ist die Präventionsarbeit gegen Rechtsextremismus. Weitere Arbeitsfelder sind Linksextremismus sowie Reichsbürger und Selbstverwalter.
In der BIGE arbeiten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Bayerischen Landesamtes für Verfassungsschutz und der Bayerischen Polizei unmittelbar zusammen. Sie verfügen über breite Fachkenntnis und langjährige Erfahrung in den Bereichen Polizei, Verfassungsschutz, Öffentliche Verwaltung, Politikwissenschaft, Pädagogik, Soziale Arbeit und Kriminologie. Aktuelle Informationen und Fachexpertise der Sicherheitsbehörden werden so mit wissenschaftlichen Standards verknüpft.
Beratungsarbeit der BIGE – Praktische Unterstützung, insbesondere der Kommunen, bei Problemen mit Extremisten

Die BIGE unterstützt Betroffene bayernweit, kostenfrei und vertraulich im oft schwierigen Umgang mit Extremismus. Schwerpunkt ist die Vor-Ort-Beratung von Kommunen.
2024 wurden 79 Beratungen durchgeführt, hauptsächlich zu den Phänomenbereichen Rechtsextremismus sowie Reichsbürger und Selbstverwalter. Räumliche Schwerpunkte waren Mittelfranken, Schwaben und Oberbayern.

Thematischer Schwerpunkt der Beratungen waren lokale Aktivitäten von Extremisten; typische Problemstellungen sind z.B. der Ankauf von Immobilien durch Rechtsextremisten, rechtsextremistische Agitation gegen Amtsträger, aktuell gerade in Zusammenhang mit der Asyl-Debatte, oder Belästigungen von Verwaltungsmitarbeitenden durch Reichsbürger und Selbstverwalter. In allen genannten Fällen steht die BIGE Betroffenen mit Rat und Tat zur Seite.
Schulprävention der BIGE – Junge Menschen und ihre Lehrkräfte für extremistische Gefahren sensibilisieren

Junge Menschen stehen im Fokus von Extremisten, die sie für ihre Ideologien gewinnen wollen.
Das versucht die BIGE mit Workshops zu Rechtsextremismus und Linksextremismus an Schulen zu verhindern. Die Workshops sind mit dem Staatsministerium für Unterricht und Kultus abgestimmt und werden ab der 8. Jahrgangsstufe für Schulklassen aller Schularten angeboten. Referentinnen und Referenten der BIGE führen auch Fortbildungen für Lehrkräfte, Elternabende und Projekttage an Schulen durch. Das Angebot wird ergänzt um persönliche Erfahrungsberichte von Aussteigerinnen und Aussteigern aus der rechtsextremistischen Szene, die authentisch von ihren Szeneerfahrungen und dem schwierigen Ausstieg berichten.

2024 konnte die BIGE rund 15.000 bayerische Schülerinnen und Schüler in über 600 Workshops an Schulen erreichen, ganz überwiegend zum Thema Rechtsextremismus. Darüber hinaus wurden rund 1.000 Lehrkräfte zu Extremismus informiert und sensibilisiert. Diese Fortbildungen wurden sowohl in Präsenz als auch digital an Schulen sowie an der Akademie für Lehrerfortbildung und Personalführung in Dillingen durchgeführt.
Öffentlichkeitsarbeit der BIGE – Extremismus vorbeugen durch Information und Aufklärung

Ohne sachgerechte Information kann keine politische Auseinandersetzung mit extremistischen Positionen und Aktivitäten stattfinden. Die BIGE betreibt deshalb das Online-Informationsportal www.bige.bayern.de, auf dem Informationen über die extremistischen Szenen, praktische Tipps im Umgang mit Extremisten und weitere Ansprechpartner zu finden sind. Darüber hinaus bietet sie einen Newsletter-Service an. Schwerpunkt der BIGE-Öffentlichkeitsarbeit sind Informationsveranstaltungen in Form von Vorträgen und Workshops oder Teilnahmen an Messen.

Im Jahr 2024 sensibilisierten Referentinnen und Referenten der BIGE bayernweit in über 160 Informationsveranstaltungen unterschiedliche Bedarfsträger zu verschiedenen Extremismus-Themen – von neuen Entwicklungen in der rechtsextremistischen Szene Bayerns, über extremistische Verschwörungstheorien der Reichsbürger und Selbstverwalter bis zu linksextremistischen Bestrebungen der Einflussnahme auf Jugendliche.
Auch 2024 lag dabei ein Schwerpunkt der BIGE bei der Aus- und Fortbildung von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen im Öffentlichen Dienst in Bayern. So konnte 2024 ein Großteil der Auszubildenden bei Polizei und Justiz sowie den anderen Bereichen der Verwaltung für die Gefahren und Herausforderungen extremistischer Ideologien sensibilisiert werden.
Das Aussteiger- und Deradikalisierungsprogramm der BIGE – Hilfe zur Selbsthilfe für Extremisten

Das Aussteiger- und Deradikalisierungsprogramm richtet sich an Extremisten, die fest in Szenezusammenhängen verankert sind sowie an Personen, die problematische Einstellungen sowie Verhaltensmuster ausbilden und in eine extremistische Szene abzudriften drohen. Sie sollen mit Hilfe zur Selbsthilfe unterstützt werden, ein selbstbestimmtes Leben ohne Extremismus in unserer demokratischen Gesellschaft zu führen. Dabei gilt es auch häufig in den Erstgesprächen den Willen zur Veränderung anzustoßen und eine Deradikalisierung von Einstellungen anzugehen.
Im Jahr 2024 bearbeitete die BIGE 122 Klienten in ihrem Aussteiger- und Deradikalisierungsprogramm. Es handelte sich ganz überwiegend um Extremisten aus dem Bereich Rechtsextremismus und der Szene der Reichsbürger und Selbstverwalter.

Die Klienten sind fast ausschließlich männliche, polizeilich bereits in Erscheinung getretene Personen mit Bezügen zu unterschiedlichen rechtsextremistischen Organisationen und Subkulturen. Der überwiegende Teil der Klienten war nicht fest in eine bestimmte extremistische Gruppierung eingebunden, sondern radikalisierte sich in einem unorganisierten Online-Milieu von diversen einschlägigen Foren, Chat-Gruppen und Nachrichten-Kanälen.

Mit 58 Klienten kam es zu einer längerfristigen persönlichen Beratung, mit regelmäßigen Treffen, in denen sich intensiv mit der extremistischen Ideologie auseinandergesetzt wurde. Begleitend wurden die Klienten bei der Bewältigung von Krisensituationen, der Distanzierung aus der Szene und bei Alltagsproblemen unterstützt. Im Rahmen der Beratung wurden verschiedene intrinsische Problemfelder (z.B. psychische Probleme, Sucht, Waffenaffinität) und extrinsische Problemfelder (z.B. Familie, soziales Umfeld, Schulden) der Klienten erhoben, die eine Radikalisierung begünstigen können und davon ausgehend gemeinsam Lösungsstrategien entwickelt.
Mit rund 25 Prozent lag dabei der Anteil von Jugendlichen höher als in den Vorjahren (2022: 19 Prozent; 2023: 17 Prozent).

Grundsätzlich gestaltet sich die Beratung von Jugendlichen ähnlich wie bei Erwachsenen: Es wird am konkreten Einzelfall geprüft, welche Hilfen sinnvoll und notwendig sind. Die Einbindung der Erziehungsberechtigten in den Beratungsprozess sowie die Abstimmung mit weiteren Behörden wie Jugendämter und / oder die Jugendgerichtshilfen bilden zusätzliche Herausforderungen. Hier gilt es einen engen Kontakt zu halten und gemeinsam die bestmöglichen Maßnahmen für den betroffenen Jugendlichen zu besprechen. Da Radikalisierungsprozesse in dieser Altersklasse oft auch mit Alkohol- und Drogenmissbrauch einhergehen, ist es wichtig festzustellen, welche Ursachen für den Klienten tatsächlich handlungsleitend sind. Sollte sich z.B. zunächst eine Drogentherapie als sinnvoll erweisen, wird in Absprache mit allen Beteiligten der Kontakt mit der BIGE zurückgestellt, auch um einen Therapieüberhang zu vermeiden.