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Begriffe von Linksextremisten: Was sie sagen, was sie meinen

Sagen und Meinen, zwei unterschiedliche Dinge. Linksextremisten verwenden in ihrer Agitation geläufige Begriffe wie etwa Solidarität, laden diese aber mit ganz eigenen ideologischen Deutungen auf.

Die Sprache von Extremisten gleich welcher politischen Couleur wird oft mit hasserfüllten Beleidigungen, simplen Parolen und verletzender Kampfrhetorik gleichgesetzt. Diese Ausdrucksformen spielen in der Agitation extremistischer Szenen wie dem Linksextremismus tatsächlich eine große Rolle. Aber Extremisten nutzen auch geläufige Begriffe der Alltagssprache, denen sie allerdings eine ganz andere Bedeutung zuschreiben. Nachfolgend werden einschlägige Begriffe aus Agitation, Propaganda und Ideologie des Linksextremismus dargestellt und das jeweilige Szene-Begriffsverständnis näher erläutert.

 

Solidarität

Standardbedeutung: Aufforderung, zusammenzuhalten und dabei auch Interessensunterschiede zugunsten des Gemeinsamen zurückzustellen.

Szenebedeutung: Stark selektive, meist ideelle Unterstützung anderer, die ähnliche politische Ziele verfolgen oder als Opfer von Repression wahrgenommen werden.

Hintergrund: Linksextremisten dient der Begriff der Solidarität zur Beschwörung eines Zusammengehörigkeitsgefühls, aber auch zur Abgrenzung, denn Solidarität üben Linksextremisten in hohem Maße selektiv. Unter ihnen herrscht ein Denken vor, dass die komplexe soziale Realität stark vereinfachend in „gut“ und „böse“ einteilt, z. B. in Unterdrückte und Unterdrücker. Der als „gut“ verstandenen Seite gelte Solidarität, während die als „böse“ wahrgenommene Seite zu bekämpfen sei.

Der Begriff Solidarität ist eng mit der historischen Arbeiterbewegung des 19. und frühen 20. Jahrhunderts verbunden. Diese verstand darunter, vor dem Hintergrund des gesellschaftlichen Gegensatzes von Arbeitenden und Kapitalbesitzern, eine wechselseitige Unterstützung der Arbeiter untereinander – begründet auf Zusammengehörigkeitsgefühl und Eintreten füreinander. Diese materielle wie ideelle Unterstützung aus der Arbeiterklasse für die Arbeiterklasse galt als wichtige Ressource im Kampf für mehr soziale Gerechtigkeit.

Der linksextremistische Solidaritätsbegriff knüpft an diesen geschichtlichen Vorlauf an. Die Konturen der historischen Kategorie Arbeiterklasse wurden aber gegen Ende des 20. Jahrhunderts aufgrund sozialer und wirtschaftlicher Veränderungen fast bis zur Unkenntlichkeit verwischt. Linksextremisten haben zunehmend Schwierigkeiten, „die Arbeiter“ sowohl zu bestimmen als auch mit ihren politischen Botschaften zu erreichen. Deshalb üben sie Solidarität verstärkt mit klarer umrissenen gesellschaftlichen Gruppen, die sie als marginalisiert ansehen; z. B. Asylbewerber, Schwarze oder Transsexuelle.

 

Globalisierung

Standardbedeutung: Entwicklung eines weltweit wachsenden Austauschs von Gütern, Kapital und Dienstleistungen über staatliche Grenzen hinweg und eine damit einhergehende Verflechtung nationaler Gesellschaften.

Szenebedeutung: Von den Industrienationen betriebene Internationalisierung des Kapitalismus, um Entwicklungs- und Schwellenländer politisch zu kontrollieren und wirtschaftlich auszubeuten.

Hintergrund: Linksextremisten nutzen den Begriff Globalisierung nicht als neutrale Beschreibung der seit Jahrzehnten zu beobachtenden Entwicklung zunehmender weltweiter Vernetzung. Sie interpretiert ihn stets im Sinne ihrer Ideologie. Obwohl Linksextremisten grundsätzlich Nationalstaaten und Grenzen ablehnen, sind sie Gegner der Globalisierung. Sie sehen darin einen rein ökonomischen Prozess, der von wirtschaftlich starken Industrienationen vorangetrieben werde, um Entwicklungs- und Schwellenländer politisch zu kontrollieren und wirtschaftlich auszubeuten. Um dem Einhalt zu gebieten, müsse die kapitalistische Wirtschaftsordnung zusammen mit den bestehenden politischen Systemen parlamentarischer Demokratie in der westlichen Welt abgeschafft werden.

Kritik an Globalisierungsprozessen ist legitim und nicht per se linksextremistisch. Politiker, Wissenschaftler und zivilgesellschaftliche Aktivisten weisen seit Längerem auf Probleme der Globalisierung hin: Multinationale Unternehmen könnten z. B. durch die Verlagerung von Produktionsstätten niedrigere Standards bei Umweltauflagen und Arbeitsrecht ausnutzen oder sich steuerlichen Verpflichtungen entziehen. Linksextremisten fordern über solche Kritik weit hinausgehend nicht nur die Beseitigung der bestehenden wirtschaftlichen sondern auch der politischen Ordnung.

 

Aktion

Standardbedeutung: Maßnahme oder Aktivität jeder Art.

Szenebedeutung: Politisch bestimmtes Handeln von Aktivisten im Sinne der eigenen Ideologie, wobei teils auch Gewalt akzeptiert oder sogar explizit verlangt wird.

Hintergrund: In der linksextremistischen Szene wird unter Aktion ein politisch bestimmtes Handeln auf dem Weg zur angestrebten Utopie verstanden. Diffuse anarchistische, kommunistische und sozialrevolutionäre Ideologiefragmente werden zu einem vermeintlichen Legitimationsrahmen auch für gewalttätiges Agieren vermengt. Für das Ziel, eine „herrschaftsfreie Gesellschaft“ zu errichten, greifen Linksextremisten z. B. Einrichtungen und Vertreter des Staates an; sie begehen Sachbeschädigungen an Polizeidienststellen oder verüben Körperverletzungen bei Konfrontationen mit Polizeibeamten. Solche Straftaten verklären Linksextremisten mit dem Begriff der Aktion zu wichtigen Handlungen ihres „politischen Kampfes“; sie dienen auch zur Stärkung des Szene-Zusammenhalts sowie insbesondere jungen, erlebnisorientierten Szene-Anhängern zur Sinn- und Identitätsstiftung.

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